
Die EU verurteilt Putins den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entschieden und verhängte im Laufe der letzten Monate mehrere Sanktionspakete, die der russischen Wirtschaft schaden sollen. Die Energie-Importe aus Russland wurden über einen kurzen Zeitraum drastisch reduziert, das hat zur Folge das Putin große wirtschaftliche Verluste einstecken muss – aber natürlich auch, dass in der EU weniger Energie ankommt. Die EU hat sich seitdem massiv darum bemüht, Energie aus anderen Herkunftsländern zu importieren, doch am Energiesparen führt kein Weg vorbei. Wie unterstützen die EU-Staaten sich gegenseitig, um die Energiekrise gemeinsam zu bewältigen? Und wie sieht es mit Solidarität gegenüber den EU-Bürger:innen aus? Die Energiekrise befeuert die Inflation und die hohen Lebenshaltungskosten drängen manche Bürger:innen in die Armut. Wie können die Bürger:innen entlastet werden?
Was denken unsere Leserinnen und Leser?
Ihr habt uns EURE Fragen und Kommentare zugeschickt und wir haben sie mit zum Klima- und Energiegipfel unseres Schwester-ThinkTanks Friends of Europe genommen und dort zwei Energieexpertinnen gestellt!
- Mechthild Wörsdörfer ist die stellvertretende Generaldirektorin für Energie bei der Europäischen Kommission. Die Aufgabe der Generaldirektion Energie ist es, sichere und nachhaltige Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen für Europa zu gewährleisten.
- Ann Mettler ist Vizepräsidentin bei Breakthrough Energy, einer von Bill Gates gegründeten Dachorganisation, die darauf abzielen, Innovationen im Bereich der nachhaltigen Energie und anderer Technologien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu beschleunigen
Unsere Leserin Marie fragte:
Wie kann die EU im Rahmen der aktuellen Energiekrise konkret für Solidarität sorgen?
Um eine Antwort auf Maries Frage zu erhalten, haben wir diesen Kommentar Mechthild Wörsdörfer, stellvertretende Generaldirektorin für Energie bei der Europäischen Kommission, vorgelegt.
Ich danke Ihnen für die Frage. Ich denke, Solidarität ist eines der Schlüsselwörter für das, was wir gerade tun. Seit die Krise am 24. Februar sich mit der russischen Invasion in der Ukraine beschleunigte hatten wir eine Menge kurzfristiger Solidaritätsmaßnahmen zwischen den Mitgliedsstaaten. Wir wissen, dass eine der Hauptursachen für die hohen Gaspreise, die schon vor fast einem Jahr begannen, Angebot und Nachfrage waren.
Nach einem weiteren EU-Energiegipfel wurde die Kommission aufgefordert, etwas in Bezug auf die Gasspeicher zu unternehmen, als ein Beispiel für Solidarität. Und die Kommission hat innerhalb von 10 Tagen einen Vorschlag vorgelegt, einen Rechtsvorschlag, der vorsieht, dass jeder Mitgliedstaat sicherstellen muss, dass die Gasspeicher bis zum 1. November dieses Jahres zu 80 Prozent und in den kommenden Jahren zu 90 Prozent gefüllt sind.
20 Mitgliedstaaten haben Gasspeicher, sieben hatten keine, einige hatten riesige Speicher für ihren eigenen verbrauch, andere hatten sehr kleine Speicher. Innerhalb von zwei Monaten haben wir im Rat und im europäischen Parlament einen Vorschlag zu dieser Füllverpflichtung für Gasspeicher angenommen. Es gab einen Vorschlag zur Lastenteilung in den Mitgliedstaaten zwischen denen, die Speicher haben, und denen, die keine haben. Also eine Verpflichtung, denjenigen zu helfen, die in den Nachbarländern füllen oder für die Füllung bezahlen, und wir hatten das Parlament in einem Schnellverfahren hinter uns.
Dieser Vorschlag wurde in zwei Monaten durchgebracht, und ich habe in meiner Laufbahn noch nie erlebt, dass etwas das institutionelle Verfahren in zwei Monaten durchlaufen hat, und er beinhaltet viel Solidarität und Lastenteilung von Seiten der Mitgliedstaaten, Einigkeit auf der Seite der Mitgliedstaaten und die Unterstützung des Parlaments. Als Ergebnis haben wir jetzt seit zwei Tagen 50 Prozent Gasspeicherfüllung, was über den Vorjahren liegt.
Unser Leser Kostian fragte:
Wie schwierig wird es kurzfristig für die EU sein, die richtigen Bedingungen für Klima-Innovationen durch Technologie zu schaffen?
Ann Mettler, Vice President, Europe bei Breakthrough Energy ist der Dachname mehrerer Organisationen, die 2015 von Bill Gates gegründet wurden und darauf abzielen, Innovationen im Bereich der nachhaltigen Energie und anderer Technologien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu beschleunigen. Zuvor war sie als Generaldirektorin bei der Europäischen Kommission tätig,
Ich komme gerade aus den Vereinigten Staaten zurück, wo ich mit mehreren CleanTech-Investoren und Unternehmern gesprochen habe, und ich habe immer wieder gehört, dass Europa eigentlich recht gut aufgestellt ist. Es gibt ein großes Interesse an dem, was Europa tut. Es wird wahrgenommen, dass Europa viele Möglichkeiten hat, und das ist natürlich wunderbar. Aber jeder, der mich kennt, weiß auch, dass ich zur Vorsicht mahne und sage, dass dies nicht der Zeitpunkt ist, um selbstzufrieden zu sein.
Und wenn ich mir Europa anschaue, dann gibt es drei Defizite, die angegangen werden müssen: Erstens aus der Sicht der Politik: Es ist so wichtig, den gesamten Innovationszyklus zu betrachten. Von der frühen Phase der Forschung und Entwicklung bis zur letzten Phase der Einführung und Vermarktung. Ich bin überhaupt nicht besorgt, dass Europa in den frühen Phasen des Innovationszyklus gut abschneidet. In der Forschung und Entwicklung sind wir sehr gut, es wird viel geforscht, aber ich habe große Bedenken, was die späteren Phasen des Innovationszyklus angeht, also wenn es darum geht, wirklich große Märkte zu schaffen. Hier hat Europa noch Raum für Verbesserungen.
Zweitens ist die Innovation im Bereich Klima oder saubere Technologien wirklich schwierig. Denn so viele der Endprodukte sind sehr undifferenziert. Wenn Sie also grünen Zement gegenüber kohlenstoffintensivem Zement verwenden, wird es keinen spürbaren Unterschied geben, das Gleiche gilt für grünen Stahl, kohlenstoffarme Düngemittel, nachhaltige Brennstoffe… Es wird keinen großen Unterschied geben. Deshalb ist der Preis so wichtig. Wir müssen die Umweltprämie senken, damit diese Technologien zu wettbewerbsfähigen Kosten angeboten werden können, denn erst dann werden sie zum Einsatz kommen. Wir können das nicht einfach dem Markt überlassen, denn das wird Jahrzehnte dauern. Aus diesem Grund sind politische Maßnahmen wie Kohlenstoffverträge so wichtig. Wir müssen das also wirklich durchdenken.
Drittens sind für Innovationen im Bereich der sauberen Technologien wirklich enorme Investitionen erforderlich. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: McKinsey schätzt, dass die Dekarbonisierung des Stahlsektors in den nächsten 30 Jahren 145 Milliarden Dollar pro Jahr kosten wird. Wir brauchen also wirklich neue, gemischte Finanzierungsinstrumente, wie kostengünstiges Eigenkapital, konzessionäre Finanzierung, aber wir glauben auch, dass philanthropisches Kapital ins Spiel kommt, um das Risiko dieser Projekte zu verringern, damit sie diese Innovationen beschleunigen und schneller auf den Markt bringen können.
Sollte die EU mit mehr Solidarität auf die Energiekrise reagieren?
Wie kann Europa Energiesouveränität erlangen? Wie kann dieser Übergang gerecht und effizient finanziert werden? Schreib uns einen Kommentar und wir leiten ihn an Politiker:innen und Expert:innen weiter!
Foto: BigStock – (c) Sergeeva Leka
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5 Kommentare Schreib einen KommentarKommentare
Leider sind in der EU, ALLE HIRNLOS!!!?
Solange die Staaten des Südgürtels nicht im Ansatz zu finanzieller Solidität bereit sind, müssen die der EU zur Verfügung gestellten Mittel eher reduziert als ausgeweitet werden. Eine Vergemeinschaftung kommt überhaupt nicht in Frage.
LPG vom Rest der Welt 🗺
Nein. 👎 führt kriege und zieht die leute übern tisch
LPG vom Rest der Welt