Europa ist einer der glücklichsten Orte der Welt
Die Hälfte der 10 glücklichsten Länder der Welt (und mehr als die Hälfte der 20 glücklichsten Länder der Welt) sind EU-Mitgliedstaaten, so der neueste Weltglücksreport, der im März 2019 von den Vereinten Nationen veröffentlicht wurde. Der Bericht misst eine Reihe von Faktoren, darunter das Bruttoinlandsprodukt, Einkommen, Lebenserwartung und Korruption. Natürlich wird auch gefragt, wie glücklich sich die Teilnehmer der Studie fühlen. Der Gewinner ist Finnland, wobei Dänemark, die Niederlande, Schweden und Österreich ebenfalls in den Top Ten rangieren. Dahin schafft es Deutschland nicht, aber immerhin noch auf Platz 17. Die „glücklichsten“ Länder der Welt liegen in der Regel in Nord- und Westeuropa, während der Süden und Osten Europas abgehängt werden.
Die reicheren EU-Mitgliedstaaten sind laut Report in der Regel glücklicher als die armen. So ist Bulgarien, das Land mit dem niedriegsten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der EU, der „unzufriedenste“ EU-Mitgliedstaat und rangiert in der Rangliste auf Platz 97 von 156. Bedeutet das, dass es letztlich wirklich um Wirtschaftswachstum und Geld geht? Oder geht es eher darum, wie wir Glück versuchen zu messen? Ist es möglich, unseren Begriff des Fortschritts vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln? Wo bleibt dann die Nachhaltigkeit?
Was denken unsere Leserinnen und Leser?
Ihr habt uns EURE Fragen und Kommentare zum Thema Zufriedenheit und Wirtschaftswachstum zugeschickt und wir haben sie an einen Politiker, einen Ökonomen und einen Sozialarbeiter weitergeleitet! Ihre Antworten findet ihr im Video oben!
- Engin Eroglu ist ein deutscher Politiker der liberal-konservativen Kleinpartei Freien Wähler. Er ist Mitglied im Europaparlament in der Fraktion Renew Europe und u.a. Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung ist.
- Alessandro Magnoli Bocchi ist der Gründer und Vorstandschef von Foresight Advisors und früherer Ökonom bei der Weltbank.
- Wolfgang Büscher ist Pressesprecher des Kinderprojekts ARCHE, das sich gegen Kinderarmut in Deutschland engagiert und sozial benachteiligte Kinder fördert.
Unser Leser Christian ist überzeugt, dass das Streben nach Wachstum uns nicht glücklich macht. Er schreibt:
Der exponentielle Wachstumsglaube macht unglücklich, vor allem all die echten Leistungsträger, die das alles jeden Tag erarbeiten, was die Reichen dann einheimsen.
Hat Christian recht? Macht das permanente Streben nach Wachstum unglücklich? Wir haben Christians Kommentar an den Europaabgeordneten Engin Eroglu weitergeleitet. Seine Antworten findet ihr im Video oben!
Tom hat uns geschrieben, dass wir Erfolg falsch messen. Ökonomisches Wachstum sei das falsche Maß, soziale und ökologische Kosten sollten dringend mit in die Rechnung einbezogen werden.
Für eine Antwort sprachen wir mit Alessandro Magnoli Bocchi, dem Gründer und Vorstandschef von Foresight Advisors und früherer Ökonom bei der Weltbank. Wie reagiert er auf Toms Kommentar?
Tom hat recht. Wir müssen Erfolg auf verschiedene Arten Messen. Das BIP ist nur ein Indikator von vielen. Es ist ein notwendiger Faktor aber allein nicht aussagekräftig.
Ersten sollten wir wissen, was für eine Art von Gesellschaft wir aufbauen wollen. Dann wird Erfolg danach bewertet, wie nah wir dem Ziel sind. Ich verstehe Tom so, dass es Wachstum noch geben soll, also bleibt das BIP wichtig. Aber es muss ein inklusives Wachstum sein, und dann wird der Gini-Koeffizient wichtig. Es müssen Umweltverschmutzung, Ausbildung, Gesundheit und Gleichberechtigung – also die Millenniumsziele – miteinberechnet werden. Ich finde das BIP wichtig, aber nur in Kombination mit anderen Faktoren. Wenn man nur nach dem BIP schaut, riskiert man ein unvollständiges Bild der Situation. Aber Institutionen wie die Weltbank nutzen mehr als den BIP, um Erfolg zu messen. Wenn wir als Ziel haben, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, müssen wir all die genannten Faktoren miteinbeziehen.
Für eine weitere Meinung sprachen wir mit Wolfgang Büscher, dem Pressesprecher der ARCHE, die sich gegen Kinderarmut in Deutschland engagiert und sozial benachteiligte Kinder fördert. Sollten wir uns mehr auf das allgemeine Wohlbefinden konzentreieren?
Was ich in der Arche mit den Familien erlebe, die meisten Menschen identifizieren sich über ihren Job. Ich liebe meinen Beruf und dann fühle ich mich sauwohl. Man muss nur auch so viel in seinem Job verdienen, um davon leben zu können. Das sollte einfach so sein, alles andere ist schwierig. Deswegen ist ein gewisser Mindestsatz beim Stundenlohn moralisch gegeben. Das Wohlbefinden hängt daher auch mit der Wirtschaft und Wachstum zusammen. Die Leute wollen gebraucht werden, sie wollen arbeiten, aber ich muss auch von meinem Job meine Familie versorgen können, sonst ist das eine Schande. Das Wohlbefinden hat damit schon auch mit Jobs zu tun.
Als nächstes hat uns ein:e Leser:in mit dem Usernamen LehrerInnen Für Nachhaltige Entwicklung diesen Kommentar geschickt
Wirtschaftswachstum und Glück sind für den Normalmenschen zwei Paar Schuhe. […] Dass wir uns gesellschaftlich vom BIP abhängig gemacht haben, liegt an den entsprechenden Diskursen in Wissenschaft, Politik und Medien, die gebetsmühlenartig immer wieder die Abhängigkeit des Arbeitsmarktes vom Wachstum hervorheben – eine Korrelation, die zwar gegeben ist, aber nicht so eindeutig und einseitig, wie es die Lehrbuchtheorie zu Konjunkturzyklen behauptet. Das BIP und Wachstum werden schlicht überbewertet – sowohl was ihre Relevanz für Glück als auch für den Arbeitsmarkt betrifft.
Wie steht der Europaabgeordnete Engin Eroglu zu dieser Meinung? Werden wirtschaftliche Faktoren in unserer Gesellschaft tatsächlich überbewertet?
Als letztes hat uns Leserin Heike geschrieben, dass Wohlstand und Glück auch zusammenhängen können:
Wirtschaftswachstum hat mit Glück nur insofern zu tun, als dass jemand, der permanent Sorgen ums Überleben hat, berechtigt weniger Gründe hat, glücklich zu sein. Aber […] es gibt auch viele unglückliche Reiche. Glück hat daher auch viel mit Bildung und Erziehung zu tun. Wer in seinem Beruf glücklich ist […] wird mehr leisten. Daher sind beide miteinander verwoben. Daher sind beide wichtig. Bisher wurde das Materielle überbetont und die Menschen suchen jetzt den gerechten Ausgleich.
Stimmt der Freie Wähler-Politiker Engin Eroglu Heike zu? Wie kann der Ausgleich zwischen Wirtschaftswachstum und Zufriedenheit geschaffen werden? Seine Antworten findet ihr im Video oben!
Ist Wohlergehen wichtiger als Wirtschaftswachstum?
Ist Europa wirklich einer der glücklichsten Orte der Welt? Kann man sein persönliches Glück vielleicht auch mit weniger Wohlstand finden oder braucht es immer ein Minimum an Geld, Sicherheit und Vertrauen? Schreib uns einen Kommentar und wir leiten ihn an Politiker:innen und Expert:innen weiter!
Foto: (c) BigStock – Mihailo K
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One Kommentare Schreib einen KommentarKommentare
Armut ist super. Wenn man vom Aldi seine Einkäufe nach Hause gefahren hat, und denkt, dass da nicht mehr viel Spiel ist, dann sind das für viele Menschen in Deutschland die glücklichsten Momente.