Besucherscharen im Pariser Louvre fotografieren die Mona Lisa

Museen bewahren unser kulturelles Erbe

Museen sind Orte, die das kulturelle und historische Erbe unserer Gesellschaften bewahren und für eine große Öffentlichkeit zugänglich machen. Wenn es sich um unser aller Erbe handelt, sollte es dann nicht auch für alle frei zugänglich sein? In den meisten europäischen Ländern müssen Besucher*innen zu Museen Eintritt zahlen. Könnte das dazu führen, dass ärmere Menschen sich die Eintrittspreise nicht leisten können und deswegen keinen Zugang zur Kunst, Wissenschaft oder Geschichte, die in Museen dargestellt werden, haben?

Ist kostenlos immer besser?

Eine Ausnahme bei den Eintrittspreisen stellt in Europa Großbritannien dar, denn viele renomierte Museen im ganzen Land wie zum Beispiel die National Gallery, das British Museum oder die Tate Gallery können Besucher*innen komplett kostenlos besichtigen. Aber heißt freier Eintritt auch direkt, dass mehr Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen die Museen besuchen? Und wie finanzieren sich kulturelle Einrichtungen, wenn nicht durch Ticketpreise?

Was denken unsere Leserinnen und Leser?

Das Geschäftsmodell vieler kultureller Einrichtungen in Europa basiert darauf möglichst viele Tickets an Besucher*innen zu verkaufen. Wir hatten einen Kommentar von Jurre, der darauf hinweist, dass dieses Geschäftsmodell insbesondere während der Corona-Maßnahmen nicht nachhaltig ist. Stattdessen wünscht er sich mehr finanzielle Unterstützung von Regierungen und der EU. Können die großen Kultureinrichtungen wie Museen, Galerien und Konzerthäuser zu ihren alten Geschäftsmodellen aus der Zeit vor der Pandemie zurückkehren, oder werden sie mehr staatliche Unterstützung benötigen?

Wir fragten beim Europaabgeordenten der Grünen Niklas Nienaß nach, der Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung des Europaparlaments ist. Denkt er auch, dass Museen mehr staatliche Unterstützung brauchen?

Ich hoffe wirklich, dass sie teilweise zu ihrem früheren Geschäftsmodell zurückkehren können, denn das, was Kultur wirklich so schön für alle macht, ist die Verbindung mit anderen Menschen durch Kultur. Es geht nicht so sehr darum, sich das Ausgestellte anzuschauen, sondern es wirklich mit anderen Menschen zusammen zu genießen und dass die Leute zusammenkommen. Ich hoffe wirklich, dass wir die Social Distancing Regeln abschaffen können und dass wir sie nicht ewig aufrechterhalten müssen. Davon abgesehen denke ich auch, dass das Geschäftsmodell, nur kulturelle Veranstaltungen zu haben, die Mega-Events sind, nicht das ist, was wir in der Zukunft wollen, denn dann würden wir so „Mainstream“ werden, dass nichts wirklich Interessantes mehr passiert. Nichts, was konfrontativ oder explizit ist oder etwas Neues.

Ich hoffe also, dass wir beides machen werden, dass wir zum Normalen zurückkommen, wo man zum Veranstaltungsort gehen und es persönlich genießen kann, ohne soziale Distanz. Aber gleichzeitig bin ich mir sicher, dass es Unterstützung für Nischen und für die kleineren Veranstaltungsorte gibt, damit sie überleben können, auch wenn sie nicht so viele Zuschauer und so viele Besucher usw. haben.

Unser Leser Apostolos ist der Meinung, dass Europas Kultursektor schon lange vor Covid unter Druck stand, zum Beispiel durch Budgetkürzungen, den Aufstieg des Internets und so weiter. Er denkt, dass die Pandemie die Dinge nur noch beschleunigt hat. Hat er Recht?

Wir haben seine Frage an die Kunsthistorikerin Julia Pagel weitergeleitet. Sie ist die Generalsekretärin von NEMO, dem Network of European Museum Organisations, das als Europäischer Dachverband für die nationalen Museumsorganisationen für über 30.000 Museen in Europa spricht. Was denkt sie, hat Apostolos recht?

Ich denke, Deine Beobachtung, dass die Pandemie wie ein Vergrößerungsglas für im Grunde alle Themen, zum Beispiel soziale Ungleichheit, Bildung, Digitalisierung, gewirkt hat, ist sehr passend. Das gilt auch für den Kulturbereich. Und Apostolos erwähnt zwei Druckpunkte – die Budgets und das Internet – und beide sind sehr berechtigt. Ich denke, was die knappen Budgets angeht, ist meine Beobachtung, dass der gesamte Kultursektor, einschließlich der Museen, in den letzten Jahren (spätestens seit der Finanzkrise 2008) unter Druck steht – mit schrumpfenden Budgets auf der einen Seite und wachsenden Anforderungen auf der anderen.

Museen wurden gebeten, soziale Agenten zu sein, und verstehen Sie mich nicht falsch, ich mag das, weil ich glaube, dass sie wirklich das Potenzial haben, bei den Menschen etwas zu bewirken, sie zu inspirieren, zu bilden und einen Raum für informierte Diskussionen zu schaffen. Aber diese wachsenden Aufgaben kommen zu einem schrumpfenden Budget hinzu. Doch die Entwicklung von Fähigkeiten oder die Einstellung von neuem Personal, um diese neuen Aufgaben zu erfüllen, kostet Geld. Das ist also eine Frage, die wir noch nicht lösen konnten und die wir auch unseren Förderinstitutionen nicht vermitteln können.

Auf der anderen Seite ist das Internet auch eine große Herausforderung für die Museen. Ich bin ganz froh, dass die Museen gerade nach dem Beginn der Pandemie einen guten Job gemacht haben, die digitalen Angebote zu erhöhen, um Besucher zu erreichen, die nicht mehr persönlich kommen konnten. Und diese digitale Welle des Museumsangebots war immens und kreativ, aber Apostolos hat Recht, dass die Museen noch einen langen Weg vor sich haben, um digital genauso relevant zu sein wie in ihrer physischen, analogen Form. Ich habe viele Museen gesehen, die mit virtueller Realität, künstlicher Intelligenz usw. experimentieren, aber das betrifft nur einen Bruchteil der Museen, während die große Mehrheit noch ganz am Anfang dessen steht, was wir eine digitale Transformation nennen. Und ihnen fehlt das Personal, die Fähigkeiten, die Infrastruktur und das Wissen dafür. Das muss man also haben, denn im Internet konkurriert man mit allen gleichermaßen um Aufmerksamkeit, auch mit großen Unternehmen wie Facebook, Google oder Amazon. Und das ist die Messlatte, die die Nutzer erwarten. Also ja, nach der Krise ist der Druck noch höher, diese digitale Transformation in den Museen zu feiern.

Unsere Leserin Catherine aus Großbrittannien sagte uns, dass sie denkt, dass Europas Museen freien Eintritt für alle haben sollten. Sollten alle Museen für die Öffentlichkeit kostenlos sein?

Wie sieht Julia Pagel, Generalsekretärin von NEMO, das?

Im Allgemeinen denke ich, dass das eine großartige Idee wäre. Museen, die für jeden völlig kostenlos sind – ein sicherer Raum für die Öffentlichkeit, ein Lernvergnügen. Aber das ist natürlich nicht die ganze Geschichte. Ich denke, es ist eine Frage, was für ein Ziel man erreichen will, wenn man Museen kostenlos öffnet. Und neben der finanziellen Frage „wer bezahlt das?“ und wer die Kosten für ein völlig neues Geschäftsmodell trägt, sollte man auch untersuchen, ob kostenlose Museen wirklich die Barriere für jeden senken, in die Museen zu kommen. Jetzt greife ich das sehr gewagte Klischee einer weißen, gebildeten Frau mittleren Alters auf, die das Museum liebt und wenn es kostenlos ist, geht sie noch lieber hin! Aber bekommen wir auch Leute rein, die vorher noch nie in einem Museum waren?

Untersuchungen haben gezeigt, dass Museen tatsächlich häufiger besucht werden, wenn sie freien Eintritt angeboten haben. Und in Großbritannien, wo Museen traditionell freien Eintritt in die ständigen Sammlungen haben, werden Museen viel mehr nur als Treffpunkt genutzt, wie ein Ort, um einen Blick in die Sammlung zu werfen und dann die meiste Zeit im Café zu verbringen. Aber auf der anderen Seite, wenn es darum geht, Museen für alle zu öffnen, vor allem für neue Zielgruppen wie Menschen mit geringem Einkommen oder unterschiedlicher Herkunft, spielt der Eintrittspreis nur eine untergeordnete Rolle, wenn es um Museen im Allgemeinen geht.

Viele Menschen wollen einfach nicht ins Museum gehen – auch nicht umsonst. Und der freie Eintritt in Museen ist nicht wirklich ein generelles Mittel, um eine größere Bandbreite an Menschen anzusprechen. Wir haben dazu sogar eine Studie durchgeführt. Als die Besucher nach dem entscheidendsten Faktor für einen Museumsbesuch gefragt wurden, sagten sie „die Zeit dafür zu finden“. Man könnte das so übersetzen, dass der wichtigste Aspekt, ob sie gehen oder nicht, nicht der Eintrittspreis ist, sondern dass der Museumsbesuch für die Leute attraktiv genug sein muss, damit sie sich trotz aller anderen Alternativen Zeit dafür nehmen.

Würde Niklas Nienaß, Europaabgeordneter von den Grünen, ihr zustimmen?

Ich bin in diesem Bereich eigentlich ein bisschen hin- und hergerissen. In der Theorie bin ich absolut dafür, in der Praxis denke ich, wenn man eine Mindestgebühr für die Versicherung hat, gibt das den Sachen ein bisschen mehr Wert. So wird sichergestellt, dass die Leute ein Museum nicht plötzlich als Ort zum Abhängen benutzen. Auf der anderen Seite ist das vielleicht gar nicht so schlecht wenn die Leute ein Museum einfach als alltäglichen Treffpunkt nutzen, denke ich, dass das auch wertvoll wäre, um wirklich einen neuen Sinn für Kultur zu bekommen. Also ich bin mir nicht ganz sicher, ob das wirklich die Essenz dessen ist, wo wir hinmüssen.

Ich erinnere mich, dass ich als Student in Wien und auch in London freien Eintritt für junge Leute genutzt habe und ich denke, dass das wirklich gut ist. Aber ich denke, der Hauptpunkt ist: wie bringen wir mehr Leute dazu, sich aktiv in die Kultur einzubringen und in Museen, Theater usw. zu gehen? Natürlich sollte es spezielle Eintrittspreise geben und auch spezielle Ausstellungen oder Programme für sie. Aber ich denke, der Hauptpunkt ist, dass wir alle Kultur auf eine neue Art und Weise verstehen und auch ausprobieren sollten. Es sollte mehr kulturelle Bildung geben, also dass man versteht, warum auch eine weiße Leinwand mit nur einem schwarzen Streifen Kunst sein kann. Was ist die Idee hinter moderner Kunst? Darüber sollten wir sprechen, um sie zu verstehen und die Bedeutung dahinter zu erkennen. Andererseits sollten wir sie auch mehr ausprobieren, um wirklich zu erfahren, was bedeutet Kunst für mich? Ich denke, das kann man von klein auf lernen, aber man hat auch die Möglichkeit, es ein Leben lang zu lernen. Und auf diese Weise schätzt man sie dann auch viel mehr.

Sollten alle Museen freien Eintritt haben?

Wie können Museen sich wieder von der Pandemie erholen? Sollten Museen mehr öffentliche Gelder erhalten? Kann freier Eintritt dabei helfen, ein diverseres Publikum anzusprechen? Was denkt ihr? Schreibt uns!

Foto: Alicia Steels on Unsplash. Portrait: © European Union 2019



4 Kommentare Schreib einen KommentarKommentare

Was denkst Du?

  1. avatar
    Günther

    Nicht wichtig genug dafür so viel geld auszugeben

  2. avatar
    Gaia

    Nein das wäre nicht toll. Ich möchte gerne das Eintrittsgeld bezahlen. Auf diese Weise erhalten die Museen einen Anreiz, sich um ihre Besucherinnen und Besucher zu bemühen. Das funktioniert erfahrungsgemäß besser als Funktionäre und Bürokratie.

  3. avatar
    Gustav

    Ich finde Kulturangebote super wichtig. Für mich ist das ein Weg an dem ich sehen kann, was mein Land oder meine Stadt mir als Bürger bietet und dass die auch an meinem Wohlergehen interessiert sind. Man muss sich vieles aber auch einfach leisten können, ist ja nicht alles umsonst. Welche Pläne gibt es in Deutschland, um Kultur für alle zugänglicher zu machen?

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