
Wer zahlt schon gerne Steuern?
Niemand sieht gerne, wie ein Teil seines Gehalts am Ende des Monats nicht an einen selbst, sondern an den Staat geht. Schließlich hat man selbst hart für dieses Geld gearbeitet, und nicht der Staat. Aber warum zahlen wir eigentlich Steuern? Steuern sind die wichtigste Einkommensquelle des Staates. Das Steuergeld nutzt der Staat unter anderem für Ausgaben für das Gemeinwohl, wie zum Beispiel den Bau und Unterhalt von Krankenhäusern, Schulen und Infrastruktur. In Deutschland und vielen anderen Ländern gilt das Prinzip der Steuerprogression, das heißt, dass Menschen mit höherem Einkommen einen größeren Anteil abgeben müssen als Geringverdiener. Doch einige Menschen finden, dass die Besteuerung bei uns generell zu hoch ist und sogar der Wirtschaft schadet. Stimmt das?
Haben hohe Steuern einen negativen Effekt auf die Wirtschaft?
Wenn Menschen hohe Steuern zahlen müssen, dann haben sie am Ende des Monats weniger Geld in ihrer Tasche und können deswegen auch weniger Geld ausgeben. Das kann dazu führen, dass der Konsum niedrig ist, was schlecht für das Wirtschaftwachstum ist, wie Studien zeigen. Außerdem können hohe Steuern negativ auf die Arbeitsmoral drücken, denn wer will schon hart arbeiten, wenn er/sie am Ende kaum dafür belohnt wird? Neben einer Steuersenkung für Einzelpersonen fordern manche Ökonomen und Politiker auch eine Minderung für Unternehmen. Sie argumentieren, dass hohe Unternehmenssteuern in- und ausländische Firmen davon abhalten, sich in manchen europäischen Ländern niederzulassen oder zu investieren. Das hat wiederum schlechte Auswirkungen für den Arbeitsmarkt und auch für die gesamte Volkswirtschaft.
Können hohe Steuern auch etwas positives bringen?
Auch wenn es in Europa große Unterschiede beim Steuerniveau gibt, ist Europa eher ein Kontinent der hohen Steuern. Und kaum woanders in der Welt gibt es höhere Steuern als in den skandinavischen Ländern (zum Vergleich, während der Höchststeuersatz in den USA bei ca. 37% liegt, liegt er in Schweden bei 57%). Doch trotz der hohen Steuersätze sind die skandinavischen Länder wirtschaftlich sehr erfolgreich. Woran liegt das? Die hohen Steuereinnahmen ermöglichen es den nordischen Staaten umfassende Sozialleistungen, z.B. zur Unterstützung von Ärmeren und Kranken, anzubieten, sowie eine hochwertige Bildungspolitik zu finanzieren und wissenschaftliche Forschung zu fördern. Die hohe sozialen Sicherheit ist auch ein Grund dafür, dass die Lebensqualität in Skandinavien seit Jahren hoch ist – und das kann trotz hoher Steuern dabei helfen, Firmen anzulocken, und Innovation zu stimulieren. Also was ist besser: niedrige oder hohe Steuern?
Was denken unsere Leserinnen und Leser?
Die Meinungen über hohe Steuern gehen bei unseren Leser:innen auseinander: Carl denkt, dass hohe Steuern schlecht sind, während Franz denkt, dass hohe Steuern notwendig sind, um für öffentliche Dienstleistungen zu bezahlen. Sind hohe Steuern gut oder schlecht?
Für eine Antwort auf diese Frage, haben wir Kira Marie Peter-Hansen gefragt. Sie ist eine Europaabgeordnete der dänischen Sozialistischen Volkspartei und Vize-Vorsitzende des Unterausschusses für Steuerfragen im Europaparlament. Was denkt sie?
Nun, ich denke nicht, dass man sagen kann, dass hohe Steuern entweder gut oder schlecht sind, ich denke, es kommt darauf an, wofür die Steuern verwendet werden. Und in Dänemark, wo ich herkomme, haben wir ein ziemlich hohes Steuerniveau und ich denke, das ist eine wirklich tolle Sache, denn wir bekommen kostenlose Bildung, kostenlose Gesundheitsfürsorge und wir können in den grünen Wandel investieren, aber natürlich macht es keinen Sinn, wenn die hohen Steuern für etwas ausgegeben werden, das ineffizient ist.
Unsere Leserin Imogen stört vor allem, dass große Unternehmen Tricks anwenden und so kaum Steuern zahlen. Sie sagt „Apple behauptet, seinen Sitz in Irland zu haben. In Irland hat Apple versucht zu behaupten, ihren Sitz in Luxemburg zu haben. In Luxembourg….etc etc“. Sind solche Vorgehensweisen fair?
Was denkt die Europaabgeordnete Kira Marie Peter-Hansen?
Ich denke, dass der Steuerwettbewerb eine der größten Bedrohungen für meine Generation ist. Ich denke, es ist ein großes Problem, dass wir einen (gemeinsamen) Markt in der Europäischen Union haben, aber dann haben wir haben Steuerwettbewerb in all diesen Ländern. Und etwas, woran wir arbeiten, ist die Liste der Steueroasen und – aber wir können nur Nicht-EU-Länder auf der Liste haben – obwohl z.B. Luxemburg und Irland auch niedrigere Steuern verwenden.
Unser Leser Joshua argumentiert, dass der einfachste Weg, Steuervermeidung zu verhindern, darin besteht, die Steuern für alle Unternehmen zu senken.
Wir haben seinen Vorschlag an Sven Giegold weitergeleitet. Er ist Wirtschaftswissenschaftler und sitzt für die Grünen im Europaparlament. Er setzt sich seit Jahren gegen Steuerhinterziehung ein. Was hält er von Joshuas Idee?
Es gibt eine Menge Debatten darüber, ob man Steuerbetrug und aggressive Steuervermeidung loswerden kann, indem man die Steuern senkt. Der Punkt ist, dass man sie nicht so weit senken kann, dass die Leute wirklich mit dem Steuerbetrug aufhören, und dafür gibt es eine Menge Beweise. Wenn man einen Steuersatz von Null hat, dann gibt es natürlich keinen Betrug mehr. Aber wenn Sie einen ähnlichen Steuersatz auf Unternehmenseinkommen wie auf Privateinkommen haben wollen, was auch für die Steuergerechtigkeit notwendig ist, dann haben Sie immer ein Steuerniveau, das viele Anreize zum Betrug gibt. Es gibt eine Menge Studien und Beweise, die das belegen.
Man kann die Steuern nicht so weit senken, dass der Betrug aufhört, und das bedeutet, dass wir den Betrug bekämpfen müssen. Wir müssen aggressive Steuervermeidung bekämpfen. Vor allem von den größeren und wohlhabenderen Akteuren, die es sich durchaus leisten könnten, ihren fairen Anteil zu zahlen.
Um Steuerschlupflöcher zu schließen, plädieren viele für die Einführung einer harmonisierten Unternehmenssteuer in der Europäischen Union. Christos ist besorgt, dass solche harmonisierten Steuersätze es den wirtschaftlich schwächeren Mitgliedsstaaten erschweren würden, mit reicheren Staaten konkurrenzfähig zu bleiben. Ist eine Steuerharmonisierung in der EU also eine schlechte Idee?
Für eine Antwort auf Christos Frage haben wir wieder den Europaparlamentarier Sven Giegold gefragt. Was denkt er?
Das ist ein sehr fairer Punkt. Ich würde so argumentieren, dass wir zuerst harmonisieren müssen, wie die Steuerbemessungsgrundlage zu berechnen ist. Es muss in jedem Land klar sein, welcher Anteil des Gewinns besteuert werden muss. Das ist wichtig, denn im Moment findet der größte Teil des Steuerwettbewerbs durch die Manipulation des Ortes statt, an dem man tatsächlich seine Steuern zahlt. So kann ein Unternehmen in Rumänien oder in Deutschland arbeiten, aber seine Steuern in Irland oder in den Niederlanden zahlen. Davon profitieren weder die ärmsten Länder, noch die reicheren. Es ist nur eine Verlagerung der Steuerbasis auf eine illegitime Weise. Wenn wir das also lösen wollen, stellt sich die Frage: Sollen wir auch den Steuersatz harmonisieren? Und da stimme ich mit Cristos überein. Ein Land, das mehr öffentliche Güter bereitstellt, weil es reicher ist, sollte auch einen höheren Steuersatz verlangen und ein Land, das arm ist, sollte einen niedrigeren Steuersatz verlangen.
Europa könnte im Grunde einfach einen Mindeststeuersatz je nach wirtschaftlicher Entwicklung festlegen. Es sollte ein absolutes Minimum geben. Darüber hinaus sollten reichere Länder verpflichtet sein, mehr zu verlangen und auch mehr zu verlangen, wenn sie reich werden. und diesen Satz zu erhöhen, wenn sie reicher werden. Das wäre das ideale Steuersystem. Natürlich kommt hier die Politik ins Spiel. Dennoch würde ich argumentieren, dass eine Harmonisierung der Steuersätze und der Steuerbasis reichen und armen Ländern hilft. In Europa, und international. Aber um eine Überbelastung in den ärmeren Ländern zu vermeiden, brauchen wir keine Einheitslösung, sondern einen Mindeststeuersatz und verbindliche höhere Steuersätze, wenn die Länder reich werden.
Sind hohe Steuern gut oder schlecht?
Beeinflussen hohe Steuern das Wirtschaftswachstum negativ? Oder können hohe Steuern auch positive Folgen haben, wie ein starkes Sozialsystem und hohe Lebensstandards? Was denkt ihr? Schreibt uns!
Foto: @jonflobrant on Unsplash. Portrait: © European Union 2020. © Dominik Butzman.
8 Kommentare Schreib einen KommentarKommentare
Schlecht
Gut, wenn die effizient eingesetzt werden. Es darf kein System der Selbstverwaltung entstehen.
It should be based on earnings. Tax the rich more and the poor less. The tax free amount needs to be higher. And single people should not get punnished by higher taxes unless they earn very much. Basically the poverty line needs to be readjusted.
Bessere Frage, welches Land bzw. Dessen Regierung geht Effizient damit um? Solange Steuern in Deutschland für Blödsinn raus geschmissen werden…
Was bin ich es leid, das zu hören. Innerhalb Europas und der OECD haben einige Länder eine deutlich höhere Abgabenlast als Skandinavien, weil Steuern nicht die einzigen Abgaben darstellen, sondern auch der große Pulk an Sozialversicherungsbeiträgen.
Berücksichtigt man Letztere, liegt Deutschland an der Spitze aller OECD-Länder und die skandinavischen Länder landen im Mittelfeld.
Also ja, Deutschland sollte gerne mehr wie Skandinavien sein, denn es hat geringere Abgaben und auch überhaupt keinen Mindestlohn, sondern stattdessen starke Gewerkschaften. Wollen dann aber die wenigsten hören, wenn sie – wie hier – das Zerrbild Skandinaviens als feuchten Traum der Etatisten verbreiten.
Kommt immer drauf an, wofür die Steuern ausgegeben werden.
Ich würde gerne hohe Steuern bezahlen, wenn ich dafür auch die soziale Sicherheit wie in Skandinavien hätte. Gerade an Schweden sieht man auch, dass hohe Steuern nicht direkt schlecht für die Wirtschaft sind. Schweden ist eins der innovativsten Länder Europas!
Naja, im ersten Moment natürlich schlecht für den einzelnen Verbraucher, aber wenn die Steuern sinnvoll genutzt werden, dann spart man ja wieder was an anderer Stelle. Ich würde mir wünschen, dass alle mehr Mitbestimmungsrecht daran hätten, wofür unsere Steuern eingesetzt werden. Wenn ich dne konkreten Nutzen sehe, bin ich doch auch eher bereit, höhere Steuern zu akzeptieren, oder nicht?