Hätte Joe Biden mehr Interesse an Europa als Präsident Trump?

 Es ist kein Geheimnis, dass die transatlantischen Beziehungen in letzter Zeit angespannt sind, wobei die USA und Europa über alles streiten, von den Stahl- und Aluminiumzöllen über die NATO-Ausgaben bis hin zum Rückzug der USA aus dem Atomdeal mit dem Iran.

Im Jahr 2018 sagte Präsident Donald Trump, er glaube, dass „die Europäische Union gegründet wurde, um sich Vorteile im Handel zu schaffen, und genau das haben sie getan““. Als Reaktion darauf haben sowohl die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch der französische Präsident Emmanuel Macron signalisiert, dass Europa weniger abhängig von den USA werden möchte. Würde ein anderer Präsident die transatlantischen Beziehungen wieder stärken oder ist es schon fast zu spät, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen?

Was denken unsere Leserinnen und Leser?

Leserin Marleen ist der Meinung, dass die transatlantischen Beziehungen von der nächsten Präsidentschaftswahl abhängen. Sie glaubt nicht, dass sich Europa noch auf Präsident Trump verlassen kann. Einem demokratischen Präsidenten traut sie wiederum zu, gute Beziehungen wiederaufzubauen.

Wir fragten den früheren US-Botschafter in Polen Daniel Fried vom Atlantic Council, ob er Marleen zustimmt. Würden sich die Beziehungen zwischen der EU und USA mit Joe Biden als Präsident verbessern?

Die einfache Antwort wäre nein, denn es ist immer komplizierter! Das ist jetzt aber nicht fair, an der Frage ist was dran. Wenn man sich anschaut, was Herr Biden zu den transatlantischen Beziehungen geschrieben und veröffentlicht hat, bekennt er sich klar zu ihnen. Eine Wahl von Herrn Biden würde sicher neue Chancen eröffnen. Sowohl Europa als auch die USA sollten diese nutzen, Obama hat das damals nicht genug getan. Wir sollten groß denken, Demokratien können zusammenarbeiten – vor allem die Handelsbeziehungen vertiefen. Wir sollten gemeinsam den Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht steuern, damit sie sich auch an die internationalen Regeln halten, darum geht es doch uns allen. Es ist aber auch nicht alles verloren, sollte Trump gewinnen. Man muss immer das beste aus der Situation machen, so wie ich es als Diplomat lange getan habe. Es gibt auch Leute in der Trump Administration, mit denen man das beste rausholen kann.

Für eine weitere Perspektive fragten wir Luka Ignac, er ist Student an der Yale Universität und engagiert sich bei European Horizons, die jungen Menschen eine Stimme in den transatlantischen Beziehungen geben will. Stimmt er unserer Leserin zu? Würde Biden die Beziehungen zwischen den USA und der EU verbessern?

Ich kann bei vielen diese Hoffnung beobachten, sie sollten aber vorsichtiger in ihrem Urteil sein. Der frühere Vizepräsident Biden ist sicher proeuropäischer eingestellt, dennoch ist es unwahrscheinlich, dass sich die geopolitische Ausrichtung der USA durch eine Abwahl Präsident Trumps radikal ändern würde. Schon Präsident Obama hat Europa außenpolitisch signalisiert, sich von den transatlantischen Beziehungen Richtung Pazifik abzuwenden. Sollte Biden gewinnen, müsste er eine Menge ändern, um wieder auf den Stand von vor fünf Jahren zu kommen. Das braucht nicht nur Zeit, sondern auch die Unterstützung des Kongresses. Es ist also nicht nur der Präsident; die Regierung und der Kongress müssen die transatlantischen Beziehungen auch unterstützen. Es kommt aber auch auf Europa an, es stehen viele Wahlen an. Wir müssen sehen, wie viel die neuen Regierungen an den Beziehungen arbeiten wollen. Wir müssen in Deutschland beobachten, dass 80 Prozent der Befragten denken, dass Präsident Trump einen negativen Einfluss auf Europa hat. Dagegen haben genauso viele damals Präsident Obama unterstützt. Die Einstellung hat sich also radikal verändert. Es wird daher sicher dauern und auch einiges an Anstrengung brauchen, um das Vertrauen in die transatlantischen Beziehungen wiederaufzubauen.

Sollte Europa darauf hoffen, dass Joe Biden der nächste US-Präsident wird?

Sollte Europa seinen eigenen Weg gehen oder die Beziehungen zu den USA wieder stärken? Hätte ein anderer Präsident als Trump mehr Interesse an guten Beziehungen? Was denkt Ihr?

Foto: BigStock © palinchak



6 Kommentare Schreib einen KommentarKommentare

Was denkst Du?

  1. avatar
    Raphael

    Je schneller Europa lernt selbsständig zu zein,
    je schneller die US Truppen den europäischen Kontinent verlassen,
    je schneller Europa erkennt dass die USA keine Verbündeten sind – so soll mir alles recht sein.

  2. avatar
    Heinrich

    Dem Michel ist dass doch egal, er hat andere Probleme.

  3. avatar
    Regula

    Die EU war noch nie Europa, aber die Europäer können Präsident Trump dankbar sein. Er hat am Anfang seiner Amtszeit die gefährlichen Abkommen TISA und TTIP gestoppt, gegen die auch der Millionenprotest in Europa nichts nützte.

  4. avatar
    René

    nicht ganz so hart, ABER Europa sollte sich in erster Linie auf sich selbst bauen… unabhängig von USA, von Russland, von China!
    Solidarisch und Kritisch!

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