
Woher kommt Intoleranz?
Intoleranz gibt es in vielen Formen. Lernen Menschen Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Islamophobie, Transphobie und Vorurteile oder ist das etwas, das in unserer Psychologie tief verwurzelt ist?
Was denken unsere Leserinnen und Leser?
Unser Leser Costi schreibt: „Ich denke, dass Toleranz angeboren ist, und dass wir zur Intoleranz erzogen werden. Wenn man ein dreijähriges weißes Kind und ein dreijähriges schwarzes Kind zusammenbringt, dann haben sie gar keine Probleme miteinander zu spielen.“
Für eine Einschätzung haben wir mit Dr. Yasemin El-Menouar gesprochen. Sie befasst sich als Expertin bei der Bertelsmann Stiftung mit Religion, Werten und Gesellschaft im Rahmen des Programms Lebendige Werte. Was antwortet sie auf Costis Kommentar?
Es ist wichtig, noch einmal zu überlegen, was Toleranz eigentlich heißt. Eigentlich ist Toleranz ja etwas sehr Paradoxes: es bedeutet, etwas zu akzeptieren, das man eigentlich ablehnt. Toleranz heißt noch lange nicht, dass man etwas als gleichwertig anerkennt oder respektiert. Bezogen auf das Beispiel mit den beiden spielenden Kindern werden Unterschiede, in diesem Fall die unterschiedliche Hautfarbe, von den beiden Kindern gar nicht wahrgenommen. Toleranz setzt aber die Wahrnehmung von Unterschieden voraus, und diese werden nicht unbedingt positiv bewertet. Dass die unterschiedliche Hautfarbe für die beiden Kinder keine Rolle spielt, ist natürlich wünschenswert. So eine Normalität kann aber zerstört werden, wenn Eltern oder andere Vorbilder diese Unterschiede thematisieren oder sogar negativ bewerten.
Wir baten auch den Europaabgeordneten Marc Angel aus Luxemburg um seine Sicht auf die Frage. Er ist Ko-Vorsitzender der interparlamentarischen Gruppe für LGBT-Rechte.
Es geht um Stereotypen, und Stereotypen werden gelernt, wir werden nicht mit ihnen geboren. Vielmehr werden sie durch unsere Umgebung, Bildung und in unsere Schulen gebildet. Stereotypen werden gelernt, aber auch Toleranz muss gelernt werden. Ich glaube nicht, dass man tolerant geboren wird, ich glaube, man muss es lernen. Deshalb ist die Ausmerzung von Stereotypen so wichtig.
Unser Leser Faddi ist auch dieser Meinung: „Toleranz ist ein Verhalten oder eine Einstellung, die man ausschließlich von seinen Eltern und seiner Familie lernen kann.“ Wie sieht das Dr. El-Menouar?
Ich gehe als Sozialwissenschaftlerin natürlich davon aus, dass Toleranz wie alle anderen sozialen Fähigkeiten in erster Linie anerzogen ist und als Kind erlernt wird. Allerdings setzt Toleranz gewisse Fähigkeiten voraus, die genetisch angelegt sind und die bei Menschen auch unterschiedlich ausgeprägt sind, zum Beispiel die Fähigkeit, auf Menschen einzugehen und zu kooperieren, mit Frustration oder Widersprüchlichkeit umzugehen, Stress zu regulieren. Grundsätzlich ist der Mensch auf Kooperation angewiesen.
Wie erlernt man jetzt aber Toleranz? Vorbilder sind extrem wichtig. Als Kind schaut man, wie die Eltern und Lehrer mit Vielfalt umgehen, als Jugendlicher wird der Freundeskreis immer wichtiger, aber auch, wie die gesamte Gesellschaft mit Vielfalt umgeht, ist wichtig. Wenn Politiker mit Unterschieden zündeln, kann man aber auch wieder viel kaputt machen. Das kann für die Gesellschaft und das Zusammenleben fatal sein, darauf müssen wir alle achten.
Wird Toleranz gelernt oder ist sie angeboren?
Wird den Kindern von der Gesellschaft und ihren Eltern beigebracht, gegenüber Vielfalt intolerant zu sein? Schreibt uns Eure Sicht auf die Dinge und wir geben sie an politische Entscheidungsträger und Experten weiter!
Foto: BigStock (c) Rido81; Portraits: El-Menouar (c) Bertelsmann; Angel (cc) Wikipedia – Jwh
8 Kommentare Schreib einen KommentarKommentare
Es ist die Gesellschaft die Intoleranz lehrt
Gibt es ein islamisches Land auf dieser Welt, das Toleranz auslebt?
Oman
Die Toleranz kennt zwei Grenzen, die zur Intoleranz und zur Akzeptanz. Etwas zu tolerieren bedeutet noch lange nicht es zu akzeptieren.
Ich glaube basierend auf unserem erlernten, akzeptierten Wertesystem entscheiden wir, ob wir etwas tolerieren oder sogar akzeptieren oder auch nicht.
Toleranz ist ein Entwicklungs- und Erkenntnisprozess dem sich AfD/NPD etc seit Jahren permanent großmäulig verweigern.
.
Als Ursache kommen falsch geschaltete Synapsen in betracht.
Da läßt sich nix gegen machen…
Tachauch
Ein Land in dem die Scharia herrscht?
😂😂😂
Warum nicht gleich Saudi-Arabien?
Toleranz muss gelernt werden, Frau El-Menouar stellt klar: „Eigentlich ist Toleranz ja etwas sehr Paradoxes: es bedeutet, etwas zu akzeptieren, das man eigentlich ablehnt. Toleranz heißt noch lange nicht, dass man etwas als gleichwertig anerkennt oder respektiert.“ Oft nehme ich aber wahr, dass Toleranz eher so wie der kleine Bruder von Respekt verstanden wird, es sei toll das wir alle „anders“ sind und das ist dan Toleranz. Aber nein, Toleranz bedeutet jemanden aushalten zu können, wenn man absolut nicht seiner Meinung ist, nur dann.Gleichgültigkeit ist übrigens auch keine Toleranz. Wenn es gelingt diese Begriffe richtig zu vermitteln, dann sind wir auf dem guten Weg. Zur Zeit werden, meiner Beobachtung nach, aber alle drei Bergriffe als Synonyme verwendet.
Ich meine Ablehnung für andere Kulturen und Erscheinungsformen ist auf die Emotion des Ekels zurückzuführen, und das ist größtenteils erlernt.