
Ein Virus diskriminiert nicht zwischen Arm und Reich.
Wir können alle erkranken, wir müssen uns alle an die Maßregeln halten. Im Sinne der Gemeinschaft und Solidarität wird daran erinnert, dass wir alle im gleichen Boot sitzen und die ganze Welt gemeinsam die Konsequenzen der Corona-Pandemie bewältigen muss. Auch die Stars und Sternchen melden sich zu Wort. Die Durchhalteparolen und Selfies fotografiert aus Villen, begehbaren Kleiderschränken und riesigen Gartenanlagen mit Pool kommen bei den Fans nur leider nicht besonders gut an. Eine Quarantäne in einer Villa fühlt sich dann vielleicht doch anders an als in einer Zweizimmerwohnung mit drei Kindern.
Was denken unsere Leser?
Unser Leser Miguel hat uns geschrieben, dass wir aufhören sollten, über Geld zu reden da es bei der Corona-Pandemie „nicht um Reich oder Arm“ sondern ums Überleben gehe.
Wir gaben seinen Kommentar an Raj Patel weiter, der sich als Akademiker, Filmemacher und Bestsellerautor seit Jahren mit den Folgen von Armut auseinandersetzt. Wie schätzt er den Einfluss des Coronavirus ein?
Miguel, es ist wahr, dass alle vor dem Gesetz gleich sind. Aber nicht alle haben die Ressourcen, um diese Krise gleichermaßen zu überstehen. Ich habe Glück: Ich habe ein Haus, ich habe einen Garten, ich darf rausgehen. Für jemanden, der obdachlos ist, ist es ganz anders. Ganz anders ist es auch für jemanden, der sich in einer beengten Wohnsituation befindet. Ganz anders verhält es sich auch für Frauen, die jetzt mit gewalttätigen Männern eingesperrt sind. Es gibt Unterschiede in der Macht und Unterschiede im Wohlstand, die im Moment sehr krass werden. Das bedeutet natürlich eine viel schwierige Situation für Menschen mit wenig Geld.
Wenn jemand zum Beispiel in einer armen Gegend wohnt, wo eine Fabrik seit Jahren Feinstaub produziert, dann zeigte die letzte SARS-Epidemie eine Verdoppelung der schweren Krankheitsverläufe. Denn wenn Sie arm sind und in einer einkommensschwachen, verschmutzten Nachbarschaft leben, ist es wahrscheinlicher, dass Sie eine Atemwegserkrankung bekommen. Auch hier scheint das Gesetz gleich zu sein, aber seine Auswirkungen sind absolut ungleich und ungerecht. Die Ungerechtigkeit durch die Pandemie überlagert sich mit der Ungerechtigkeit, die die moderne Gesellschaft bereits geschaffen hat. Diese Krise hat Ungerechtigkeiten weitaus akuter gemacht.
Wir baten auch Leo Williams vom Europäischen Netzwerk gegen Armut um eine Antwort auf Miguels Kommentar.
Für das Europäische Netzwerk gegen Armut ist es wirklich klar, dass die Krise jeden trifft. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass sie die Ärmsten und Schwächsten am härtesten trifft.
Daher fällt es mir sehr schwer, nicht über Geld zu sprechen. Arme Haushalte haben einfach weniger Ressourcen und weniger Möglichkeiten, die Krise zu bewältigen. Es ist also wirklich notwendig, weiter über Einkommen zu sprechen. Denn wenn Sie am Monatsende schon früher Schwierigkeiten hatten, über die Runden zu kommen, wo ist dann die Kapazität, die zusätzlichen Ausgaben in dieser Zeit zu bewältigen? Es geht um zusätzliche Betreuung, Unterstützung im Haushalt und zusätzliche Mahlzeiten, wenn sie zum Beispiel nicht mehr von der Schule gestellt werden.
Für uns ist es entscheidend, weiter über Geld zu sprechen. Es ist unmöglich, es in dieser Zeit der Krise nicht zu tun, denn es ist wirklich eine Krise, die die Klassenunterschiede deutlich macht. Sie trifft die Ärmsten wirklich am härtesten.
Trifft uns das Coronavirus alle gleich stark?
Oder sollten wir während der Pandemie aufhören, von „Reich und Arm“ zu sprechen? Könnt Ihr die Kritik an den Stars nachvollziehen oder sind wir alle von den Folgen der Corona-Krise gleich betroffen? Was ist Eure Meinung?
Foto: BigStock © kathcklick; Portrait Patel: Wikipedia (cc) Jan Sturmann
Diese redaktionell unabhängige Debatte wurde von der Cariplo Stiftung finanziert. Mehr dazu in unserem FAQ.

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Gegenfrage:
Warum hat man eine Zweizimmerwohnung und drei Kinder?