Proteste in London

Nach dem rechtsextremen Anschlag in Hanau, der zehn Menschen das Leben kostete, sagte Bundeskanzlerin Merkel, dass Rassismus und Hass schuld an Verbrechen wie diese habe: „Rassismus ist ein Gift. Der Hass ist ein Gift. Dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft, und es ist schuld an schon viel zu vielen Verbrechen.“

In ganz Europa haben rechtsextreme populistische Parteien in den letzten Jahren an Popularität gewonnen, während die Zahl der gemeldeten Hassverbrechen in vielen Ländern sprunghaft angestiegen ist. Hanau war schon der dritte rechtsextreme Anschlag in Deutschland innerhalb von nur neun Monaten. Der Glaube an Einzeltäter wankt. Folgen den Parolen Taten?

Was steckt hinter diesem Anstieg des Rassismus?

Wir haben einen Leserkommentar von Eva erhalten, die wachsende soziale Ungerechtigkeiten als Ursache für zunehmenden Rassismus sieht. Sie glaubt, dass jeder mit „anständig bezahlten Jobs“ kaum zum Rassisten wird. Das hieße im Umkehrschluss, dass schlechter Gestellte anfälliger für rechtes Gedankengut würden. Stimmt das? Gibt es einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Nöten und Rassismus in der Gesellschaft?

Für eine Antwort auf unsere Leserfrage haben wir mit Annetta Kahane gesprochen. Sie ist Mitgründerin und Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus einsetzt. Was antwortet sie Eva?

Das ist Unsinn. Das würde ja bedeuten, dass jemand, der plötzlich weniger Geld bekommt sofort rassistisch wird. Das ist natürlich Quatsch! Es gab oft das Argument, gerade mit Blick auf Ostdeutschland: Wenn junge Leute arbeitslos sind, dann werden die Neonazis. Als wäre das für Arbeitslose normal.

Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Rassismus und sozialem Status, das ist einfach nicht nachgewiesen. Wir haben anhand verschiedener Studien gezeigt, dass wohlhabende Leute sehr wohl rassistische Arschlöcher sein können. Das gleiche gilt für Antisemitismus – er ist wirklich nicht vom Einkommen abhängig und auch soziale Verwerfungen sind kein Grund dafür, rassistisch zu sein. In Deutschland gibt es diese Legende als Deutung für den Nationalsozialismus. Man hat offensichtlich in der DDR und in der Bundesrepublik gelernt, dass die Weltwirtschaftskrise zu Arbeitslosigkeit und diese wiederum zu Hitler geführt hat. Der hat dann Autobahnen gebaut und die Wirtschaft angekurbelt und dadurch die Arbeitslosigkeit beseitigt. Das ist ein Mythos. Arbeitslosigkeit scheint in Deutschland ein Synonym dafür zu sein, dass jemand ein Nazi wird. Das ist aber nicht so. Die Weltwirtschaftskrise hat auch in anderen Ländern stattgefunden und zu politischen Problemen geführt, ohne dass alle zu Nazis wurden und Millionen von Menschen umbringen wollten. Dieses Denken, dass Arbeitslosigkeit zu Nationalsozialismus, Rassismus oder Rechtsextremismus führt, das ist einfach ein Mythos und auch eine Beleidigung gegenüber Arbeitslosen.

Für eine weitere Perspektive stellten wir auch Katerina Vyzvaldova Evas Frage. Sie ist bei der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte für den Bereich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zuständig.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie ihre Zunahme oder Abnahme hängen mit vielen verschiedenen Faktoren zusammen. In Europa gehören dazu beispielsweise die Angst vor dem Unbekannten, das Gefühl der verlorenen nationalen Identität, globale Ereignisse sowie politische Sündenböcke.
 
Rassistische und fremdenfeindliche Täter stammen jedoch aus einem breiten sozialen und politischen Spektrum, wie unsere Arbeit gezeigt hat. Rassistisch motivierte Verbrechen sollten nicht einfach als reiner Rechtsextremismus oder als Folge von Wirtschaftskrisen und Notlagen angesehen werden. Meist wird Gewalt gegen Migrantinnen zum Beispiel von Tätern verübt, die ihre Opfer als Freund oder Nachbarn kannten.

Führt soziale Ungleichheit zu Rassismus?

Die Experten sind sich einig, dass der soziale Status Rassismus kaum erklären kann. Was denkt Ihr? Sind Ärmere anfälliger für rechte Ideen?

Foto: BigStock (c) Ben Gingell; Portraits: Kahane (c) Peter van Heese



11 Kommentare Schreib einen KommentarKommentare

Was denkst Du?

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    Conny

    Annette kahane…. dann brauche nicht weiter lesen.

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    Alexander

    Soziale Ungerechtigkeit führt automatisch zu Missgunst und damit auch früher oder später bei einem Teil der Betroffenen zu Hass. Wartet mal ab wenn der Deutsche versteht, dass er in der EU die höchsten Abgaben zahlt, am längsten arbeitet und am wenigsten Rente bekommt! Das gibt sozialen Sprengstoff.

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    Lilian

    Nein! Rassismus entsteht, wenn jemand Rassismus gut findet! Soziale Ungerechtigkeit gab und gibt es überall und immer wieder, dafür „Fremde “ verantwortlich zu machen, zeugt nur von schweren Charakterfehlern.

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      Raziel

      Es stimmt, dass es von schweren Charakterfehlern zeugt.

      Aber in schweren Zeiten hat der Mensch schon immer diejenigen gesucht, welche ein wenig „anders“ oder sozial „angreifbarer“ sind.

      Vor ziemlich hundert Jahren ging es allen gut.
      NSDAP interessiert fast keinen. (goldene Zwanziger)
      Nach dem Börsencrash und der Steigung der Armut fing die braune Brühe an zu kochen…

      Oder viel früher!
      Es gab auch schöne Zeiten im Mittelalter.. Kaum war eine Pest/Armut/Umweltkatastrophe im gange, wurden andere Hautfarben/Religionen/ Nationalitäten /Ansichten /Geschlechter durch die Stadt gejagt.

      Es wiederholt sich immer, bis die Menschen lernen, auf einander und nicht nur auf sich auf zu passen und sich gegenseitig als nichts Anderes als Mensch zu identifizieren.

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    Florian

    Eher oberflächlichen Neid und Hass und das eher bei unintelligenten Menschen ohne Selbstbewusstsein.

    Tief empfundener Rassismus ist wohl eher antiquierte Weltanschauung.

    Die Regierung muss für gleiche Chancen für alle arbeiten.

    Die neuen Erweiterungen des Begriffs Rassismus halt ich für Kritikwürdig, besonders bezogen auf Religion.

    Kann es sein dass sich besonders aggressive und rückständige Religionen unangreifbar machen wollen?

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    Florian

    Ps: kein Begriff wird heute mehr bewusst missbraucht um Beziehungen, Freundschaften, Karrieren schon präventiv unmöglich zu machen und zu zerstören!

    Falsche Anschuldigungen sind wie Säureanschläge.
    Und sitzen bei vielen besonders Locker! Man kann dabei darauf achten wer das Thema benutzt um sich Vorteile zu verschaffen, Moralisch aufzuspielen, sich selbst Persilscheine austellt.
    Parteien, Gruppen, fB Sites die gesichtslos sind und Leute ausfragen.

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    René

    Ja… weil dadurch Bauernfänger/Populisten leichtes Spiel haben 🤨

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    Heinrich

    Der Rosenkranz und „Vater unser“ sind das nicht.

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    SirKaktus

    Ich würde eher behaupten das Rassismus seine Wurzeln in den Traumata des Lebensweg hat. Denn da gibt es meiner Beobachtung nach zwei Möglichkeiten wie Menschen gewisse Traumata verarbeiten. Möglichkeit 1. Die Leute wollen so ein Leid verhindern, weswegen sie Altruistisch werden.(und damit oft auch eher linkspolitisch rangieren)
    Möglichkeit 2. Das Traumata wird nicht richtig verarbeitet und aus dem Opfer wird selber ein Täter. (politiklos, wenn es keine Gemeinschaft gibt die ihn das gibt, was jeder braucht, Zuneigung)
    Denken wir mal bei einem Rassisten wo da die Ängste liegen, Angst vor Fremden ist das offensichtliche. Nicht offensichtlich sind die Trigger des Traumas, welches dann mit Hass bekämpft wird damit die Angst nicht obsiegt.
    Ich als arme Kirchenmaus, würde dem widersprechen das Rassismus an dem sozialen Standpunkt gekoppelt ist. Gehe aber soweit mit das der so.St. ein Meinungsbild stark beeinflussen kann.
    In diesem Sinne noch einen angenehmen Tag.

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    Hans

    Ganz sicher nicht, Rassismus kann durch soziale Not begünstigt werden.
    Im Umkehrschluss würden sozial besser gestellte zu weniger Rassismus neigen, was natürlich nicht der Fall.
    .
    Rassismus ist daher keine Frage von Einkommen oder sozialer Stellung.
    .
    Da können wir reden wie wir wollen, Rassismus ist eine systemimmanente Eigenschaft des Menschen.

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    Phillip

    Perspektivlosigkeit kann Fremdenfeindlichkeit begünstigen, aber es ist bestimmt nicht der einzige Faktor

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