Das schlechte Gewissen beim Fleischkonsum wächst, wenigstens sollen die Tiere ordentlich gehalten worden sein. Doch wie finde ich das heraus, wenn ich vor der Kühlteke im Supermarkt stehe? Hier sollen Siegel helfen und anzeigen, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten wurden. Bisher hatte jeder Discounter sein eigenes Label, jetzt haben sich große Handelsketten auf einheitliche Hinweise für ihre Kunden geeinigt – kurz bevor Agrarministerin Julia Klöckner ein Tierwohllabel des Ministeriums für das Jahr 2020 vorgestellt hatte.

Die Tierwohllabel bleiben freiwillig – Tierzüchter können sich also überlegen, ob sie mitmachen wollen. Im Supermarkt haben wir die Wahl aus vier Stufen, wobei Stufe 1 nur das aktuelle gesetzliche Minimum festlegt, sich also die Haltungsbedingungen der Tiere in der Massentierhaltung nicht verbessern. Stufe 4 entspricht dem aktuellen EU-Bio-Siegel. Das sind aber nicht die einzigen Label auf dem Markt. Auch gibt es keinen europaweiten Standard. Schaffen noch weitere Siegel Verwirrung oder Klarheit?

Was denken unsere Leser? Wir erhielten eine Frage von Leser Roland, er sagt: „Es sollte auf den Verpackungen klar erkenntlich sein, was man isst.“ Bieten die neuen Tierwohllabel eine bessere Orientierung beim Einkauf? Wissen wir, was wir essen?

Wir fragten bei Jutta Jaksche nach, sie ist Referentin für Lebensmittel in der Verbraucherzentrale Bundesverband.

Wir können leider erst wissen, was wir essen, wenn wir uns selbst intensiv damit befassen. Die derzeitigen Label stellen eine grobe Vereinfachung dar. Beim gemeinsamen Label des Handels wird zum Beispiel in vier Stufen eingeteilt, da werden Begriffe verwendet, die nicht alle Verbraucher kennen. Sie müssen letztendlich wieder auf die Website des Handels – haltungsform.de – gehen und dann genau nachlesen. Aber auch das ist schwierig, da der unterstete Standard einfach der gesetzliche Mindeststandard ist. Da wird also nicht mehr für die Tiere erreicht, den gesetzlichen Mindeststandard halten wir für deutlich zu niedrig. Das Label des Handels ist als grobe Vereinfachung schon gut, aber letztendlich muss man sich als Verbraucher selbst kümmern, um es zu verstehen. Es ist nicht selbsterklärend und könnte Verbraucher verwirren.

Leser Hassan geht die staatliche Regulierung beim Essen schon jetzt zu weit, er schreibt: „Jetzt wollen die auch noch in meinen Kühlschrank reinregieren…So langsam nimmt das stalinistische Formen an.“ Werden Kunden durch die neuen Label bevormundet?

Von einer Bevormundung sind wir noch ganz weit entfernt. Im Gegenteil, nach Auffassung der Verbraucherzentrale wird staatlich noch nicht genug geregelt. Aber nicht in den Kühlschrank des Verbrauchers hinein, sondern in die Ställe! Wenn wir schon Tiere halten, sollten sie zumindest ein gutes Leben gelebt haben. Das ist auch, was sich 80 bis 90 Prozent der Verbraucher wünschen. Dazu brauchen wir aber mehr staatliche Regelungen. Wir hoffen auf das staatliche Tierwohllabel im Jahr 2020. Die Premiumstufe entspricht hier dem Bio-Standard, das sollte das neue konventionelle Angebot werden, welches sich Verbraucher dann auch leisten können.

Es liegt aber in der Hand der Verbraucher, ob sie mehr Geld für Fleisch ausgeben wollen.

Leser Gustl hat uns geschrieben: „Es kann ja nicht sein, dass bei einem normalen Gericht das Fleisch die günstigste Ware auf dem Teller ist.“ Wird Fleisch durch die Tierwohllabel teurer?

Fleisch wird nicht durch die Label teurer, sie sind ja nur ein Angebot. Die Label des Handels bilden nur ab, was es schon auf dem Markt gibt. Insofern führen sich nicht zu einer Verbesserung des Tierwohls, sondern zu einer verbesserten Orientierung des Verbrauchers. Wir hoffen auf die Verbraucher, dass sie sich für die teureren Produkte entscheiden, wenn sie verstehen, dass es besser für das Tierwohl ist. Teurer wird es für den Verbraucher, wenn er sich für höherwertige Ware entscheidet. Bio war zum Beispiel schon immer deutlich teurer als konventionelle Angebote, weil Bioprodukte mehr für das Tierwohl leisten, das gibt es nicht zum Nulltarif.

Jedes eigene Land entwickelt zurzeit seine eigenen Labels und Standards. Wir von der Verbraucherzentrale würden uns aber ein europaweites Label wünschen, wie wir das schon von den Eiern kennen. Wir wissen immer, aus welcher Haltung das gekaufte Ei kommt. Wir bräuchten ein vernünftiges System für Fleisch, so dass sich der gesamte Lebensweg des Tieres nachverfolgen lässt. So könnte sich jeder Verbraucher nach Überzeugung und Geldbeutel für ein Produkt entscheiden. Wir haben gute Erfahrungen mit der EU, da sie in der Vergangenheit meist die treibende Kraft für Verbraucherschutz war. Sie sollte auch in Bezug auf Tierhaltung vorangehen.

Was bringen Tierwohllabel? Verbraucher wünschen sich mehr Informationen über die Haltung der Tiere. Schaffen noch weitere Siegel Verwirrung oder Klarheit? Brauchen wir ein europaweites Label? Was denkt ihr?

Foto: (c) BMEL/Photothek; Portrait: (c) Gerd Baumbach


6 Kommentare Schreib einen KommentarKommentare

Was denkst Du?

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    Daniel

    Prinzipiell eine gute Idee, doch muss gewährleistet werden, dass auch drinn ist was drauf steht.

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      Phillip

      Dann ist da natürlich die Frage, wer da wen kontrolliert. Wenn sich die Supermärkte und Erzeuger gegenseitig kontrollieren, kann man davon ausgehen, dass sie damit nicht die Qualität und das Wohlergehen des Fleisches im Auge haben, sondern ihre Erkenntnisse benutzen um vom Wettbewerbsgegner Zugeständnisse zu erpressen. Diese Korruptionsgefahr ist etwas geringer wenn es ein zentrales Kontrollgremium gibt, das die Einhaltung überwacht und die Benutzung der Aufkleber sanktioniert. Am besten fände ich es jedoch wenn das über eine Vielzahl an gemeinnützigen Vereinen geschähe, die von sich aus Experten beauftragen. All diese Experten zu bestechen wäre dann für die Erzeuger und Händler teuerer als tatsächlich die Regeln zu befolgen

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      Daniel

      Der Gedanke mit einer Vielzahl an Kontrolleuren ist interessant, doch sehr kostenintensiv (für die Vereine) und könnte durch die häufigen Kontrollen zu hohen Einbußen der Produktivität führen.

      Allerdings ist mir noch ein Fall bekannt, leider weiß ich gerade nicht in welchem Land dies stattgefunden hat, aber ich vermute China, dass dies auf einen ähnlichen Weg lösen wollte.
      Leider waren die Experten bzw. Kontrolleure bestechlich, was dazu geführt hat, dass die Firmen ihre korrupten Angestellten entlassen mussten (und deswegen weniger Kontrollen durchführen konnten), und die Kontrolleure über eine andere Firma die gleichen Betriebe kontrolliert haben.

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    Frank

    Haben wir keine anderen Probleme???

  3. avatar
    Bjonam

    Ein gutes Gewissen bleibt nur wenn man auf Fleisch verzichtet. Alles andere ist Augenwischerei und Selbstbetrug…

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