Wer sollte der nächste EU Kommissionspräsident werden? Wen der Spitzenkandidaten wirst Du wählen? Wir haben den Kandidaten der europäischen Parteien Eure Fragen gestellt. Heute antwortet Frans Timmermanns, der für die Sozialdemokratische Partei Europas und damit für die „europäische SPD“ ins Rennen geschickt wird. Mehr zu seiner Person findet ihr hier, die Antworten auf Eure Fragen weiter unten.
Was wären seine Prioritäten als Kommissionspräsident? Wir erhielten diese Frage von Jose, der wissen möchte, ob es unter Timmermans radikale Veränderungen in der EU geben würde oder doch eher alles beim Alten bliebe?
Meine Priorität ist der Aufbau eines nachhaltigen und fairen Europas, das fest in unseren Grundwerten Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit verankert ist.
Es ist an der Zeit, dass sich Europa auf die Gleichstellung der Geschlechter konzentriert, denn wenn die Hälfte der Bevölkerung diskriminiert wird, dann ist Europa nicht fair. Meine Kommission wird eine feministische Kommission sein. Ich werde eine verbindliche EU-Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter umsetzen, um die Gleichstellung von Männern und Frauen endlich in die Tat umzusetzen. Bis zum Ende meiner Amtszeit möchte ich, dass geschlechtsspezifische Lohngefälle beseitigt werden. Und ich möchte, dass die europäische Gesetzgebung die Gewalt gegen Frauen bekämpft.
Wir müssen unsere Wirtschaft dringend verändern, sie muss fair und nachhaltig werden. Je länger wir warten, desto schwieriger wird es, desto teurer wird es. Meine Kommission wird sich auf die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft in Europa konzentrieren, was mehr Recycling, eine bessere Nutzung unserer begrenzten und wertvollen Ressourcen sowie den Schutz unserer natürlichen Umwelt und der biologischen Vielfalt bedeutet. Saubere Energie, Verkehr und Infrastruktur müssen ebenfalls Vorrang haben.
Wir müssen auch über die Steuern sprechen. Im Moment haben wir einige große Unternehmen, die in Europa Milliarden von Gewinnen erzielen aber keine Steuern zahlen. Das muss korrigiert werden, sonst funktionieren unsere Sozialsysteme nicht mehr, darunter werden die Menschen leiden. Traditionell waren die Mitgliedstaaten in der Lage, Unternehmen auf nationaler Ebene zu besteuern. In unserer modernen Wirtschaft haben die großen Unternehmen aber zu viel Macht und können damit viel Druck auf die Mitgliedsstaaten ausüben. Wir müssen die Unternehmenssteuer daher auf europäischer Ebene regeln.
Als letzter Punkt: Arbeit muss sich lohnen. Wir brauchen in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union einen Mindestlohn. Dann kann man ein anständiges Sozialsystem aufbauen. Wir müssen auch verstehen, dass ein Teenager mit einem Deliveroo-Rucksack auf dem Rücken kein Unternehmer ist, es ist jemand, der einen anständigen Vertrag verdient, jemand, der Sozialschutz verdient. Eine Priorität meiner Kommission werden angemessene Arbeitsbedingungen für alle Europäer sein.
Die zweite Frage stellte Hector: „Wie würden Sie das Vertrauen der Bürger in die EU wiederherstellen?“
Europa muss sich mit den Problemen befassen, mit denen der Durchschnittsbürger konfrontiert ist. Mir wird während meiner Wahlkampftour viel übers Wohnen, Löhne, die Umwelt und Ungerechtigkeiten unseres Steuersystems erzählt. Deshalb möchte ich, dass wir zuerst diese Fragen gemeinsam angehen und uns nicht in Gesprächen über Verträge und Abstimmungssysteme in Brüssel verlieren.
Seit Beginn der europäischen Integration glaube ich zum ersten Mal, dass diese Europäische Union implodieren könnte. Wir sind nicht in einem Albtraum, es ist eine potentielle Realität. Aber ich sehe auch auf meinen Reisen durch Europa, dass die überwältigende Mehrheit der Bürger eine erfolgreiche europäische Zusammenarbeit wünscht. Diese Mehrheit wird sehr oft von den Menschen niedergeschrien, die schreien, brüllen und beleidigen. Als Kommissionspräsident wird es meine Aufgabe sein, den Menschen, die jetzt schweigen, eine Stimme zu geben und für das einzustehen, woran sie glauben. Ihnen Mut zu geben, denen, die uns in die Vergangenheit zurückbringen wollen, entgegenzutreten. Wir wollen keine Gesellschaft, die auf Konfrontation, Hass und Ausgrenzung basiert. Um Vertrauen wiederherzustellen, müssen wir uns an unsere Grundwerte als Europäer halten – Demokratie, Menschenrechte, Achtung der Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit. Wenn wir im Einklang mit diesen Werten handeln, dann können wir der Bevölkerung zeigen, dass die EU für alle arbeitet. So bauen wir das Vertrauen wieder auf.
Leser Cyril fragte: „Wie würden Sie gegen Arbeitslosigkeit vorgehen?“
Es gibt ein enormes Potenzial für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Europa, wenn wir die Transformation unserer Wirtschaft hin zur Nachhaltigkeit richtig managen. Ich würde so schnell wie möglich in eine Kreislaufwirtschaft investieren, denn die ersten Gesellschaften, die eine nachhaltige Wirtschaft schaffen, werden weniger Kosten und mehr Nutzen von ihr haben. Wenn Europa anfängt, wird der Rest der Welt folgen. Daher müssen wir der Kontinent sein, der nachhaltige Produkte und Dienstleistungen anbietet, die der Rest der Welt kaufen will. Wenn wir Europa unabhängig von fossilen Brennstoffen machen können, wenn wir bis 2050 – oder sogar schon früher – CO2-neutral sind, können wir Millionen und Abermillionen von Arbeitsplätzen schaffen und die Umwelt schützen. Ich wünsche mir einen gerechten Übergangsfonds für Europa, damit Arbeitnehmer umgeschult und weitergebildet werden können und damit wir ältere, umweltschädliche Industrien unterstützen können, umweltfreundlicher zu werden.
Die letzte Frage erhielten wir von Ironworker: „Ist Einwanderung gut oder schlecht für Europa?“
Diese Frage erfordert eine komplexe Antwort. Die Einwanderung kann Chancen für Europa bieten und uns helfen, einige der Herausforderungen zu meistern, die wir in den kommenden Jahren haben werden, aber sie muss angemessen bewältigt werden. Wir müssen klar zwischen Menschen unterscheiden, die das Recht haben, hier zu sein und solchen, die es nicht tun. Das muss europaweit auf der Grundlage der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten koordiniert werden. Aber wenn wir es schaffen, können wir alle davon profitieren. Unsere Gesellschaften können von Menschen mit neuen Fähigkeiten und Ideen profitieren, Migration kann die Wirtschaft stärken, neue Arbeitsplätze schaffen und zur Erhaltung unserer Sozialsysteme beitragen.
Es ist wichtig, dass wir nicht aus den Augen verlieren, dass Flüchtlinge und Einwanderer Mitmenschen sind. Wir haben den Aufstieg der extremen Rechten in Europa erlebt. Die ist für unsere Zukunft viel gefährlicher als die Migration. Wir sollten uns nie gegen Menschen wenden, weil sie von anderswo kommen, weil sie eine andere Hautfarbe haben oder weil sie eine andere Religion haben. Wenn wir jemanden so von seiner Menschlichkeit befreien, stirbt nach und nach auch unsere eigene Menschlichkeit.
Wirst DU den Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten unterstützen? Haben Dich die Antworten von Frans Timmermans überzeugt? Dann kannst Du schon jetzt unter Me&EU für Deine Partei abstimmen!
14 Kommentare Schreib einen KommentarKommentare
Auch wenn der Mann qualifiziert ist, kann ich der SPD genauso wenig meine Stimme geben wie der Union.
Ein Holländischer Schwätzer ? Nein danke.
Horst Mahler jedenfalls nicht! Oder wer ist das auf dem Foto?
Replying to @debatingDE @TimmermansEU and 2 others
Der #Kommissionsppäsident wird doch nicht von mir gewählt, sondern von den Delegierten des EU-Parlamentes. Bitte keine Irreführung der Wählerschaft!
Er oder sie wird nach der Europawahl vom Europ. Rat mit qualifizierter Mehrheit vorgeschlagen und anschließend vom EU-Parlament mit absoluter Mehrheit der Mitglieder gewählt. Nach Art. 17 Abs. 7 EU-Vertrag „berücksichtigt“ der Rat bei seinem Vorschlag das Ergebnis der Wahlen ;-)
Ergo keine direkte Wahl und Ihre Aussage nicht ganz sauber meiner Meinung nach. LG :)
Kenn ich nicht. Will ich nicht.
❌ SPD ❌ Grüne ❌ Linke So viel ist sicher
Auf unserer Website findest du die Wahlprogramme aller Fraktionen im EP
niemals
nein
Einer Flasche die Stimme geben sicher nicht.
Was ist mit Bildung?? Was für ein Lösung haben Sie ??
Bildung wird allein von den Mitgliedsländern und nicht der EU entschieden. Daher findet sich nichts dazu in den Wahlprogrammen.