Polen wird nervöser. Seit der russischen Annexion der Krim in 2014 und dem daraus folgenden Bürgerkrieg in der Ukraine, steigt die Sorge der polnischen Regierung vor einer Bedrohung aus dem Osten.

Gleichzeitig ist die Beziehung Polens zu seinen westlichen Nachbarn hinsichtlich der Fragen der Rechtsstaatlichkeit und der Bürgerrechte im Land belastet. Kritische Stimmen behaupten, die polnische Regierung untergrabe die Demokratie. Zwischen den Stühlen stehend, hat sich Polen an seinen traditionellen Sicherheitsverbündeten die USA gewandt und das Angebot, amerikanische Truppen auf einer permanenten Basis unter dem Namen „Fort Trump“ zu stationieren, angenommen.

Ist Polens Angst gerechtfertigt? Die aktuellen Aufdeckungen über russische Geheimdienstagenten, die in Großbritannien und den Niederlanden spionierten, haben alle aufwecken und misstrauisch werden lassen. Aber stellt Russland wirklich eine Bedrohung für den Staat Polen dar? Im Gegensatz zur Ukraine (oder den baltischen Staaten) hat Polen keine bedeutende russische Minderheit. Polen ist ein NATO-Mitgliedstaat und kann sich (vermutlich) auf den Schutz von seinen mit Atomwaffen bewaffneten Nachbarn verlassen. Braucht es dazu noch ein permanentes Fort Trump, um es vor Moskau zu schützen?

Unser Schwester-Think-Tank, Friends of Europe, hat eine Reihe von Berichten veröffentlicht, die sich mit den aktuellen Sicherheitsherausforderungen aus der Perspektive verschiedener europäischer Staaten befassen. Die Berichte über Deutschland, Frankreich und Großbritannien wurden bereits veröffentlicht, und vom 24. bis 25. Oktober 2018 werden im Rahmen des Warschauer Sicherheitsforums eine Zusammenfassung und Empfehlungen zu Polen veröffentlicht. Der vollständige Polen-Bericht wird ab Januar 2019 zur Verfügung stehen.

Was sagen unsere Leser? Zsolt findet, dass europäische Länder wie Polen aufhören sollten, Panik über eine mögliche Bedrohung durch Russland zu kreieren. Er sagt: „Erstens droht niemand Europa. Zweitens hat Europa sicher genug Militärmacht, um sich zu schützen.“

Das haben wir den ehemaligen polnischen Außenminister (2007-2014) Radosław Sikorski gefragt, welcher heute als Senior Fellow am Harvard Center for European Studies tarbeitet. Was sagt er dazu?

Für eine weitere Perspektive haben wir Zsolt’s Frage Katarzyna Pisarska gestellt, Programmdirektorin des Warsaw Security Forum und Gründerin und Direktorin der European Academy of Diplomacy. Was sagt sie?

Ich würde sagen, dass diese Annahme unglücklicherweise falsch ist. Täglich sterben zwei bis vier ukrainische Soldaten in dem Konflikt auf dem Donbass. Die letzten vier Jahre haben deutlich gemacht, dass Russland gewillt ist militärische Gewalt einzusetzen, um seine geopolitischen Ziele zu erreichen. Aber heutzutage würde ich auch sagen, dass Krieg keine typische militärische Praxis mehr ist. Wir reden heute von Kriegen, die hybride Kriege sind, die eine Reihe von Elementen beinhalten, einschließlich Cyberkrieg, einschließlich psychologischer Kriegsführung – der Fall Skripal ist ein sehr gutes Beispiel – der Versuch, die Gesellschaft mit Macht zu bedrohen, damit die Gesellschaft sich zurückzieht. In diesem Sinne haben die letzten vier Jahre bewiesen, dass Russland aggressiv war, nicht nur militärisch, sondern auch willens und fähig und in der Lage, unsere demokratischen Prozesse zu beeinflussen, sich in Wahlen einzumischen, antidemokratisch und illiberal zu unterstützen Parteien und Bewegungen auch. Russland zu unterschätzen bedeutet also auch, die enormen Belastungen und Bedrohungen zu unterschätzen, denen die liberale Ordnung derzeit ausgesetzt ist.

Ein weiterer Kommentar kommt von unserem Leser Yordan. Er findet, dass Deutschland eine größere Rolle in der europäischen Verteidigung einnehmen sollte. Natürlich ist die Geschichte zwischen Polen und Deutschland in Bezug auf Militärmacht kompliziert und belastet. Trotz allem hat der ehemalige polnische Verteidigungsminister Radosław Sikorski in 2011 gesagt, dass er ein starkes Deutschland weniger fürchte als ein schwaches, inaktives Deutschland. Lässt sich das auf Fragen der Verteidigung übertragen? Was sagt er heute?

Die gleiche Frage haben wir auch Katarzyna Pisarska gestellt. Angesicht der Tatsache, dass sich Europas traditioneller Verteidigungspartner, die USA, von einer globalen Führungsrolle zurückzuziehen scheint, muss Europa sich mehr um seine eigene Sicherheit kümmern? Und wie könnte eine größere Rolle Deutschlands dabei aussehen? Und wie steht Polen dazu?

Ich finde, das hat etwas Wahres. Aber das kann man nicht einseitig betrachten. Die Tatsache, dass wir weiterhin eine starke transatlantische Verbindung mit den Vereinigten Staaten beibehalten sollten, bedeutet nicht, dass wir keine eigenen Kapazitäten in Synergie innerhalb der NATO, sondern auch mit dem Engagement der Europäischen Union im Verteidigungsbereich haben sollten. Erstens erwarten unsere Bürger, dass die EU ihre Sicherheitsfähigkeiten erhöht, denn Sicherheit ist das wichtigste Anliegen der europäischen Bürger. Und zweitens ist es unsere Pflicht den NATO-Beitrag zu leisten: Die meisten EU-Mitglieder sind auch NATO-Mitglieder und hatten jahrelang die Pflicht, mindestens 2% ihres BIP für Verteidigungsangelegenheiten auszugeben. Leider erfüllen heute nur vier Länder – einschließlich Polen – diese Anforderung.

Wenn uns Sicherheit wichtig ist, müssen wir auch die entsprechenden Mittel dafür einsetzen. Ich glaube, dass die Vereinigten Staaten ein unverzichtbarer Partner bleiben, wenn es darum geht, die Herausforderungen der globalen Welt zu bewältigen. Europa muss sehr klug sein: Es muss seinen Verpflichtungen nachkommen; es muss lernen; aber es muss auch diese Beziehung fördern, unabhängig davon, wer gerade im Weißen Haus ist.

Wenn es um Deutschland geht, denke ich, ja, es gibt ein riesiges Potenzial, wenn es um deutsche Sicherheitsinteressen geht. Wir alle kennen natürlich den historischen Hintergrund. In Polen ist dieser historische Hintergrund am bekanntesten. Aber selbst hier argumentieren unsere Politiker, einschließlich unserer derzeitigen Regierung, dass Deutschland für seine Verteidigung 2% des BIP ausgeben sollte, aber auch für eine gemeinsame europäische Verteidigung. Es gibt also weniger Streit um das Thema außerhalb Deutschlands, sondern das größte Problem ist innerhalb Deutschlands, nämlich die deutschen Bürger davon zu überzeugen, dass Sicherheit Geldausgaben erfordert und dass Deutschland verpflichtet ist, Kosten und Präsenz in diesem Bereich zu erhöhen. Es gibt viele Herausforderungen, angefangen vom Nahen Osten bis zum Terrorismus, bis hin zur Notwendigkeit, Russland abzuschrecken.

Ist Polens Angst vor einer russischen Bedrohung begründet? Sollte Polen eine stärkere Rolle Deutschlands in der europäischen Verteidigung unterstützen? Schreib uns deine Meinung!

Foto: (c) BigStock – De Visu


23 Kommentare Schreib einen KommentarKommentare

Was denkst du?

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    Raphael

    Ist Russlands sorge begründet? Ja.
    Mir wäre neu dass Russland Manöver and der pol isch en Grenze durchführt.

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    Ivane

    Ja. Jeder Nachbar soll Auge auf Russland halten

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    Hermann

    Die Krim wurde nicht annektiert.

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      Kiet

      Hermann Wunder ja. Sondern besetzt und Neuwahl durch führen und anschließend für immer als Teil von Russland.

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      Gottfried

      ja auch Königsberg+Nemmersdorf wird nicht annektiert

  4. avatar
    Heinrich

    Begründet oder nicht sie sind wieder die potentiele Gafahr für Europa. NATO hat in Polen nichts zu suchen. Nachdem sich die Russen freiwilig zurückgezogen haben sollte Polen Souverän bleiben. Dass ist Verletzung des 2 + 4 Vertrages. Und noch vor kurzem waren sie die beste Freunde.

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    Paul

    Ja! Weil in der früheren Geschichte zu oft Polen überrannt wurde.
    Und das Säbelrasseln von Trump 🇺🇸 befeuert es…

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    Raziel

    Seit wann dürfen bei einer Annektion, die Bürger wählen? 😳
    Wart ihr schon mal auf der Krim?

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    Mark

    naja
    es gehören immer 2 Seiten zu diesen spielen
    und bisher ist unter dem Namen NATO auch viel mist passiert

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    Trajan

    Eine schöne Vorwand der momentale Aggressor ist NATO ( USA) Russland hat Nie bomben geworfen. USA

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    Kurt

    Polen sollte sich zu allererst mal solidarisch in der der EU zeigen und rechtstaatliche Strukturen erhalten. Aber für die Kohle der EU die Hand aufhalten und jetzt nach militärischer Unterstützung jammern ist schon ziemlich unverschämt.

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    Dritan

    Ich verstehe nicht so viel von Politik, aber was ich sagen will ist …. Das Wir , Deutschland muss besser ausgerüstet , als jede andere Land ……….

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    Gottfried

    Die Sicherheitslage Polens ist im vergleich zu Jahr 1939 nicht verbessert, als es von beiden Seiten überfallen wurden. Im Osten ist nichts geändert. Auch seine Westgrenze ist nicht wesentlich sicherer geworden. Zwar ist die Bundesrepublik offiziell ein Verbündeter. Aber hierzulande sind soviel 5. Kolonnen unterwegs (was man in manchen Kommentaren hier sofort feststellt). Sie könnten, sofar Polen von Osten überfallen wird, einen Dolch in den Rücken stechen

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    Gottfried

    das Land wurde mehrmals verraten, zum letzten in 1939 als Daladier und Chamberlain, trotz der Kriegserklärung gegen Nazi-Deutschland, den Überfall auf Polen nur zuschauten und, noch schlimmer, gegen Sowjetunion nicht einmal formell Krieg erklärten.

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    Pawel

    Deutschland könnte Polen überfallen? Wovon träumen Sie nachts? Weder hat Deutschland für eine Invasion die militärischen Mittel, noch besteht das geringste Interesse daran, beim Nachbarn einzumarschieren – wozu auch? Manche Leute leben in einem Zustand permanenter Paranoia.

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    Trajan

    Ir Seite schon von USA UND NATO Schon Besetzt

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    Regina

    Nein von Rußland geht keine Gefahr aus.

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    Günther

    Die Krim wurde nur besetzt weil sonst dort die USA säße und das wäre strategisch sehr Übel für Russland.

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    Hardi

    Polens Angst ist verständlich. wurde doch die Grenze des polnischen Reiches nach dem 2. Welthrieg von Ost nach West verschoben. Ehemals polnisches Gebiet ist jetzt „Russland“ und ehemals deutsche Gebiete durch Vertreibung heute Polen. Die Krim war schon früher „russisches“ Land und wurde erst iin den 50 er Jahren an die Ukraine gegeben…. als „Geschenk“. Damals konnte sich keiner vorstellen dass Kiew mal nicht mehr zum Russischen Reich gehören könnte.

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    Latif

    Krim Bevölkerung ,Die Krim Tataren sind die Mehrheit und die haben entschieden und zugestimmt bei Referendum mit Russland zu bleiben,und das nennt man Demokratie.Warum die Holz Köpfe akzeptieren das nicht.Ist a Weile mode Amy arch zu sein.Was Krim betrifft ist denn Amy’s ind die Hose gegangen und nicht wie mit andere lender.Aber ne immer wieder versuchen die Fremde Länder zu besetzen,durch Marionetten.Upppps ganz vergessen welches Land heutzutage souverän ist,Wen Mann weißt wer regiert die Welt.

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    Lutz

    Auf dem Bild tragen die Soldaten russische Waffen

  20. avatar
    Salajdin

    Halb polen liegt doch in russland bzw weissruslan.werr die geschichte bischen kennt weiss ganz genau wo der heimat der polen ist

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