Polen und Europa sind sich schon seit einiger Zeit nicht mehr einig. Seit die nationalkonservative PiS Partei mit absoluter Mehrheit regiert, gestaltet sie den polnischen Staat und ihre Beziehungen zur EU dramatisch um. Die Kommission reagierte mit Klagen beim Europäischen Gerichtshof und Vertragsverletzungsverfahren. Die Polen stehen mehrheitlich hinter der Regierung und bleiben zugleich von Europa begeistert – von Austrittswünschen keine Spur. Wie passt das alles zusammen?

Beim ersten medienwirksamen Streit ging es noch um die Verteilung von Flüchtlingen in Europa. Direkt nach der Wahl 2015 sah sich die neue Regierung nicht an die Absprachen ihrer Vorgänger gebunden, Flüchtlinge aufzunehmen. Der Europäische Gerichtshof gab der Kommission Recht, doch bis heute ist dieser Konflikt mit der EU nicht beigelegt. Mit dem Vertragsverletzungsverfahren will die Kommission prüfen, ob Polens Regierung mit ihren Reformen gegen demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze verstößt. Nachdem die Medien und öffentliche Institutionen immer regierungstreuer umgestaltet wurden, sorgt jetzt vor allem eine Justizreform für Ärger und Proteste der Opposition.

Dennoch haben die Polen keinen Austritt aus der EU im Sinn. Laut neuester Umfragen sehen 50 Prozent der Bevölkerung die EU sehr positiv, 37 Prozent neutral und lediglich 12 Prozent der Befragten haben ein negatives Bild. Wohin steuert Polens Regierung ihr Land?

Was denken unsere Leser? Wir erhielten einen Kommentar von Nescho, der zweifelt, ob die polnische Regierung weiß, was sie der Demokratie mit ihren Reformen für einen Schaden antut.

Wir fragten bei Prof. Dr. Gesine Schwan nach. Die deutsche Politikwissenschaftlerin setzt sich seit Jahrzehnten für die deutsch polnische Beziehungen ein. Sie kandidierte zwei Mal für das Amt der Bundespräsidentin und ist aktuell die Präsidentin und Mitgründerin der Humboldt-Viadrina Governance Platform gGmbH, die sich für Demokratieförderung einsetzt. Stimmt sie Nescho zu? Ist sich die PiS Regierung der Folgen ihrer Reformen bewusst?

Unser Leser Marek sieht das ganz anders. Polen hat seine Regierung demokratisch gewählt und „damit basta!“ Ist das demokratische Mandat der Wähler ein berechtigter Einwand oder greift es zu kurz?

Für eine weitere Meinung fragten wir bei Prof. Dr. Tomasz Grosse nach. Er ist Professor an der Universität Warschau und forscht bei der regierungsnahen Denkfabrik Institut Sobieski zur Europapolitik. Unterstützt er Mareks Argument?

Die polnische Regierung (unterstützt von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS)) hat ein klares Wahlmandat: Sie hat verschiedene kühne Reformen eingeführt, die sowohl von der Opposition als auch von der Europäischen Kommission angefochten werden. Aber sie hat das Recht diese Reformen einzuführen, solange sie in Einklang mit der polnischen Verfassung stehen. Es gibt Uneinigkeiten zwischen Politikern und Rechtsexperten darüber, ob einige Reformen, einschließlich Justizreformen, im Einklang mit der polnischen Verfassung stehen.

Das Problem ist, dass die Verfassung sowohl für die Regierung als auch für die Opposition verschiedene Argumente vorbringt. Zum Beispiel heißt es in Artikel 180, das polnische Parlament hat das Recht, mittels eines ordentlichen Gesetzesentwurfes über das Rentenalter der Richter, einschließlich der Richter des Obersten Gerichtshofs, zu entscheiden. Das Parlament hat also das Recht, die Altersgrenze auf 65 Jahre zu verkürzen. In einem anderen Artikel der Verfassung heißt es, dass das Mandat des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs für sechs Jahre gilt (Art. 183). Die Opposition behauptet, dass das Mandat des derzeitigen Präsidenten des Obersten Gerichtshofs bis 2020 dauern sollte, selbst wenn sie älter als 65 Jahre ist. Die einzige Institution, die den Konflikt lösen könnte, ist das polnische Verfassungsgericht, nicht die Europäische Kommission oder der Europäische Gerichtshof.

Wie reagiert Frau Schwan auf Mareks Kommentar?

Leserin Silke sagt wiederum, dass es so nicht weitergehen darf, die EU müsse Maßnahmen ergreifen. Eine Diktatur brauche Polen nicht. Muss die EU eingreifen?

Auf den ersten Blick ist es schwer zu verstehen, warum die polnische Demokratie bedroht ist. Wir haben ein normales politisches Wahlsystem in Polen, ohne dass Vertreter der politischen Opposition im Gefängnis sind oder der Opposition Hindernisse gestellt werden in der Öffentlichkeit oder in den Medien. Es gibt eine vielfältige Medienlandschaft, in der das gesamte politische Spektrum ohne politisches Monopol in den polnischen Medien und ohne offizielle oder formelle Zensur im öffentlichen Diskurs vertreten ist. Die politische Opposition hat die Freiheit, ihre Ansichten öffentlich zu demonstrieren.

Aber wir haben einen sehr starken politischen internen Konflikt zwischen Regierung und Opposition, der in der polnischen politischen Kultur zur Gewohnheit gehört. Was nicht so gewöhnlich ist, ist die anhaltend starke Unterstützung der PiS-Regierung durch die polnische Gesellschaft und die deutliche Kluft zwischen der Unterstützung der Regierung und der Oppositionsparteien. Man muss zudem bedenken, dass das Austragen von Konflikten und Auseinandersetzungen die Grundlagen der  demokratischen Ordnung bilden. Es könnte also als Beweis für die Vitalität der polnischen Demokratie gelten.

Zudem ist zu sagen, dass die EU nicht die richtigen Mittel hat, um in die politische Debatte in Polen einzugreifen. Sie ist nicht befugt, Streitigkeiten in den Mitgliedstaaten über angebliche Verstöße gegen die Verfassung beizulegen. Darüber hinaus hat die EU ihre eigenen Probleme mit der Demokratie, die in der Literatur als „Demokratiedefizit“ der EU bekannt ist. Und viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass sich dieses Defizit während der Krisen noch verstärkt hat.

Josef fordert sogar einen EU-Austritt der Polen, wenn sich das Land nicht an demokratische Grundwerte hält. Er glaubt, der EU-Beitritt sei sowieso nur wegen der Fördergelder erfolgt. Wie antwortet Frau Schwan auf seinen Kommentar?

Schafft Polen die Demokratie ab? Sind die Justizreform und Ablehnung der Flüchtlinge eine nationale Angelegenheit? Sollten die anderen EU-Mitgliedsländer das akzeptieren oder sollte sich die Kommission einmischen, bevor es zu spät ist? Was denkt ihr?

Foto: (CC) BigStock – wjarek; Portrait: Grosse – (c) Instytut Sobieskiego



28 Kommentare Schreib einen KommentarKommentare

Was denkst du?

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    Matthias

    Die EU ist so undemokratisch dass sie durch die EU nie aufgenommem werden würde. (M. Schulz)

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    Rachelle

    Polen hat 2 Millionen Ukrainer aufgenommen von denen viele Kriegsflüchtlinge sind aber hey

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      Maik

      So sehen es Millionen in Deutschland 🇩🇪 und Volksabstimmung trauen diese Demokraten nicht. Polen macht es richtig. Die ganze Welt lacht nur über die deutsche Regierung und schüttelt mit den Kopf.

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    Jörg

    Sorry, aber die Schwan redet Mist. Nur weil sich Polen nicht von der EU Bevormunden lässt. Was war Silvester in Köln, was war in Paris zur WM Feier. Polen hat meine ganzen Respekt.

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    Zümranin

    Von welche Demokratie redest du da von der wo in muslimische Länder einmarschieren und die Frauen vergewaltigen und die ganze Unterboden schätze klaut oder von der wo die ganze Flüchtlinge alles in der arsch gesteckt bekommen und das eigene Volk für 400 Euro auskommen müssen und neben bei Flaschen sammeln müssen oder von der Demokratie wo das Land genügend Arbeitslose hat und der Staat gast arbeiter ruft würde den Polen auch empfehlen auszutreten aber dan lässt ja eu Kommission auch Bomben los gehen wie in England auch

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      Tobias

      Genau EU das größte Verbrecher Kartell einfach nur lachhaft und heuchlerisch selber null Demokratie aber anderen aufzwingen wollen

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    Tobias

    Was sollen andere sich einmischen Polen gehört den Polen und keiner EU Kommission

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    Esther

    Polen ist ein autonomes Land, die Regierung legitim gewählt…..die EU Kommission hat da gar nichts zu melden…die können ja nicht mal ihren eigenen Stall sauber halten…und Gesine Schwan…….da kann ich auch die Schlümpfe fragen….lasst die Polen in Ruhe und hört auf, immer den großen Schulmeister spielen zu wollen….

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    Sancar

    Die haben die halbe Welt gegen Deutschland aufgebracht wegen Ihrerer angeblichen Demokratie, die nur für die oberen Hundert Bonzen gilt, alles andere sind Sklaven, verarmt und vogelfrei, Russland, Ungarn,Serbien,England Türkei als letztes sogar der blöde Trump hetzt gegen BRD, fehlt nur noch Polen und die Baltik Staaten ,der deutsche macht sich immer unbeliebter ,aber wenn du solche Menschen wie die Roth Wagenknecht oder den möchtegern deutschen özdemir und all die vielen anderen Politiker die nicht einmal wissen was ein leib Brot kostet die noch obendrein von der Bildzeitung und Axelspringer verlag gedeckt und beschützt wird, kann es diesem land nicht gut gehen nicht auf dauer, denn die Menschen werden auch dümmer, weil Sie wie die Schafe der Herde hinterher laufen, anstatt sich eine eigene Meinung zu machen…Danke

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      Ingo

      So schaut es aus

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      Hans

      Womit denn? 😂😂

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      Tomasz

      Polen gibt 2% PKB für Militär aus .. Und nicht weil Trump so will .. Nur die Russen machen sich wieder breit.. Da die zu wenig Land haben.. !10 km von Moskau ..kein Wasser / Kanalisation .. Keine Toaleten .. Aber Putin TV was alles so toll redet.. Und Wie die alle herum böse sind 😤

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    Christian

    Jedes Land sollte in manchen Themen für sich allein entscheiden. Und in diesem Thema haben sie recht, nur Idioten in der Politik gefährden das eigen Volk

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    Todhart

    So, wie überall in europa: die nationalisten behaupten bevormundet zu werden oder gar noch immer kräftig reinzahlen zu müssen (besonders gut zu sehen bei dem brexitblödsinn). Es ist jedoch doch so, dass die länder, und hier besonders polen (deutschland und andere natürlich auch) total profitieren von der eu! Wenn es allerdings um gemeinsame pflichten geht, will auf einmal niemand mehr dabei sein. Dabei werden errungenschaften einfach sinnfrei aufgegeben (z.b. offene binnengrenzen), davon hätten die kriegsgebeutelten generationen vor uns geträumt. Nationalismus und vereinzelung, betonung der unterschiede und nichtwahrnehmen der gemeinsamen erfolge und gemeinsamkeiten führen uns ALLE wieder in die katastrophe!!! Prozesse sind nunmal anstrengend

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      Marco

      ????

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      Todhart

      Marco gibt zwei ebenen um dies geht: die finanzielle und die demokratische… beides eng miteinander verwoben, grundsätzlich rede ich aber von rechten und pflichten. .

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    Marco

    Warum wird mir so nen Mist angezeigt? Weil ich derzeit von Polen aus ins Netz gehe? Wenn ich schon sehe, dass in diesem „Bericht“ gleich dreimal dieses Video eingeblendet wird… Meine Fresse, ich kriege ich echt Brechreiz, wenn ich lese, was über Polen geschrieben wird. Was nicht heißen soll, dass nichts kritikwürdig ist. Aber diese Arroganz und Überheblichkeit und Besserwisserei deutschsprachiger Medien – absolut grenzwertig!!!

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      Todhart

      Also wenn ich mich so mit meinen vielen polnischen freunden austausche, bestätigt sich dieses bild und es ist absolut richtig aus EUROPÄISCHER perspektive dazu haltung einzunehmen… und zwar glasklar

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      Salto

      Europäischer oder EU-diktatorischer?
      Ich glaube einige Staaten außer- und innerhalb der EU teilen Polens Weg

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    Daniel Fechner

    Die Informationen, die Herr Dr. Grosse der Diskussion beisteuert sind interessant und sollten mehr Beachtung in der Debatte finden.
    Auf der anderen Seite finde ich die Sorgen, die Frau Dr. Schwan benennt, Verschlechterung des Minderheitenschutz und Rechtsstaatlichkeit durch die Reformen, berechtigt.
    Zur Frage, ob sich Polen durch die Absage zur Aufnahme von Flüchtlingen durch die Vorgängerregierung etwas zu Schulden kommen lässt, ein paar Gedanken, wie weit ist der Rest Europas mit seinen Zusagen?, sind neue Regierungen durch die Zusagen, die durch alte Regierungen getätigt worden sind, gebunden?, welche Strafen wurden bei der nicht Einhaltung vereinbart?
    Zur Frage, ob Polen austreten sollte, definitiv nein, laut Eingangstext sehen 50% der Bevölkerung die EU positiv, und da keine Austrittsgründe vereinbart wurden, sollte dies auch nicht gefordert werden. Ich denke, dass es aber langsam an der Zeit wäre, eine Vereinbarung über Mindeststandards innerhalb der EU, zu vereinbaren, damit die einzelnen Länder wissen, in welchen Bereichen sie Reformen durchführen können ohne das der Zusammenhalt gestört wird.
    Zu guter Letzt eine Frage zur Demokratie, wer ist der Souverän innerhalb einer Demokratie? Vor allem in Diskussionen über Polen wird deutlich, dass in bestimmten Bereichen, der Wähler keine Möglichkeit hat, seinen Willen vertreten zu lassen, da es manchmal so wirkt, dass es eine Schrift gibt, die der wahre Souverän sein soll (Erstaunlicherweise ist es bei einer Theokratie unerheblich, ob die Schriften auf denen die Gesetze aufbauen einen Gott beinhaltet oder nicht, Quelle: Bundesministerium der politischen Bildung)

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    Tomasz

    In Polen werden bald Wahlen stattfinden.. Erst regionale Warschau/ Lodz usw.. Da wird es schon zu sehen sein, wer die Nase vorne hat.. Und es wird nicht Pis sein.. !Opposition soll die Wahlen beobachten um Fälschungen zu vermeiden… Leute sollen wählen gehen.. !Das wird auch der Fall sein.. Alle die unser Verfasung umgehen wollten .. Sollen vor Staatstribunal gestellt werden .. Und bestraft werden , inklusive Präsident ( Kügelschreiber genant ) und alle alte Säcke (Links /Rechts)in die zwang Rente gehen .. Die aus Pis sollen die minimale Rente bekommen .. Um endlich bei Diskonter einkaufen zu müssen.. Dann bekommen die endlich was Nähe am Bürger bedeutet .. !WIR SCHAFFEN DAS die Polen können es einfach .. Wir zeigen nochmal was Demokratie/Solidarnosc ist .. Nur die Kirche wird der Opfer sein .. wohl verdient l

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    Reinhard

    Ja, sollten wir mehr als deutlich. Es sind unsere gemeinsamen Werte, die Europa vereinen sollten. Ich verstehe Europa als eine intakte Familie und nicht als ein Verein von Egomanen. Vor Kleinstaatereien, machen die Probleme nicht halt. Klinkt altmodisch. Alle für einen einer für alle.

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