Werden Wahlen in Europa nicht auch noch durch andere Themen bestimmt? Am 4. März werden die Italiener eine neue Regierung wählen und die internationale Presse scheint sich einig, dass der Umgang mit der Flüchtlingskrise den Wahlausgang in Italien bestimmen wird. Gibt es denn nicht aber auch noch andere wichtige Themen für den Durchschnittsitaliener?

Die europaskeptische 5 Sterne Bewegung von Komiker Beppe Grillo wird wohl die meisten Stimmen erhalten. Da sie aber eine Koalition mit anderen Parteien kategorisch ausschließt und selbst keine regierungsfähige Mehrheit erhalten wird, ist eine Regierungsbeteiligung sehr unwahrscheinlich. Sie wollen ihre politische Unterstützung im Parlament abhängig von den Vorlagen machen und im Einzelfall entscheiden. Ihre offizielle Haltung zu Migration ist gegen illegale Migration vorzugehen und den Verteilungsschlüssel der EU für Flüchtlinge anzuwenden, aber auch legale Wege für Einwanderung zu schaffen.

Die aktuelle gemäßigt linke Regierungspartei unter Matteo Renzi kommt in den Umfragen nur noch auf 22 bis 24 Prozent. Er wird in seinem Wahlkampf aber nicht müde, sich über die fehlende Solidarität der Osteuropäer bei der Verteilung von Flüchtlingen zu beschweren.

Die letzten Umfragen sehen eine Mitte-rechts Koalition unter der Führung vom früheren Premierminister Silvio Berlusconi vorn. Auch wenn er als Verurteilter Steuerhinterzieher selbst kein politisches Amt bekleiden wird, umwirbt er bereits jetzt die rechtspopulistische Lega Nord für ein Bündnis im Parlament, deren Meinung zu Migration ist vorhersehbar.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor wird das neue Wahlrecht Italiens. Es führt ein gemischtes Wahlsystem wie in Deutschland ein, aber mit nur einer statt zwei Stimmen. Dieses komplizierte System erschwert Vorhersagen über den Wahlausgang. Sicher werden wir es natürlich erst nach der Wahl wissen.

Was glauben unsere Leser? Wir bekamen einen Kommentar von Rosy, sie denkt dass rechte Parteien die Flüchtlingskrise zur Stimmungsmache missbrauchen. Wir haben den Politikprofessor Piero Ignazi gefragt, ob er Rosys Einschätzung teilt.

 

Ja, das ist ein wichtiges Thema. Einwanderung ist zurzeit wohl das wichtigste Thema italienischer Politik. Aber die hohe Arbeitslosigkeit und der Arbeitsmarkt sind auch ganz oben auf der Prioritätenliste der Italiener.

 

Für eine weitere Meinung fragten wir bei dem italienischen Journalisten Gianni Riotta nach. Er ist lehrt gerade an der Universität Princeton und schreibt regelmäßig für die Tageszeitung La Stampa. Glaubt er, dass der Wahlausgang von der Flüchtlingsfrage abhängt?

Nein, das glaube ich nicht. Es wird ein Thema sein, das ist sicher – es zieht viele zu den rechten populistischen Parteien, aber es ist nicht entscheidend. Wähler, die strikt gegen Einwanderung sind, werden die Lega Nord wählen und Menschen dafür entscheiden sich für linke Parteien. Aber diese Wahl wird nicht durch Migration entschieden.

Unser Leser Mario sieht eher Wirtschaftsfragen im Vordergrund. Die Finanzkrise hat seiner Meinung nach noch immer einen negativen Einfluss auf den Alltag der Italiener und daher werden sie sich doch eher darum Gedanken machen, oder?

Es stimmt schon, dass die Wirtschaft das wichtigste Thema ist, aber eine Zwischenbilanz wird die Wähler nicht in ihrer Entscheidung beeinflussen.

Noch wichtiger sind aber die Zukunftsaussichten der Wirtschaft. Die italienischen Wähler sind anscheinend sehr pessimistisch und das wird sie die aktuelle Regierung abwählen lassen.

Und was sagt Gianni Riotta zu Marios Einschätzung?

Mario hat recht, die Wirtschaftskrise von 2008 hat Italien härter als viele andere Länder getroffen. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Wirtschaft vor allem auf dem produzierenden Gewerbe basiert. Diese Produkte konnten kaum mehr auf dem globalisierten Markt mithalten, die Krise war dann ein Katalysator und soziale Flexibilität haben die Gewerkschaften verhindert. Das System lag am Boden.

Ich glaube auch, dass die Wirtschaft eine wichtige Rolle bei den Wahlen spielen wird. Es gibt so langsam bessere Aussichten, die sich aber noch nicht im Einkommen der Wähler widerspiegeln. Gerade die Arbeitslosen im Süden des Landes sind sauer und werden wohl daher die 5 Sterne Bewegung wählen.

Wird die Flüchtlingskrise über die Wahl in Italien entscheiden? Oder ist es dann doch die Lage der Wirtschaft, die den Wählern im Alltag wichtiger ist? Schreib uns deine Fragen und wir stellen sie den Experten!

Foto: CC / Flickr – Dave Collier



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